Der Maler Gottes
dir. Sollte ich ewig in der Mühle bleiben? Ich habe gehört, dass du wieder in Frankfurt bist und für den reichen Heller arbeitest. Doch du bist nicht zu mir gekommen, ein ganzes Jahr lang nicht. Glauben musste ich doch, dass du mich vergessen hast.«
Matthias weiß keine Antwort, weiß nur, dass Magdalena Recht hat. Er bereut, dass er sie so lange warten ließ. Könnte er die Zeit zurückdrehen, würde er es tun. »Liebst du ihn?«, fragt er.
Magdalena sieht den Maler an und erwidert: »Er bietet mir Wohnung, Essen, Kleider. Er wird für mich sorgen, so wie ich für seinen Haushalt sorgen werde. Eine anständige Frau werde ich auch durch ihn nicht werden, doch ich habe wenigstens die Möglichkeit, ehrbar ein Kind zur Welt zu bringen.«
Ein Haus, ein Weib, ein Kind. Immer hat sich Matthias dagegen gesträubt. Doch jetzt erscheint ihm nichts begehrenswerter als eben ein Haus mit Magdalena als seiner Hausfrau darin und ein Kind. Sorgen kann auch er für sie, Aufträge werden sich finden. Die Verklärung auf dem Berge Tabor, die er für Jakob Heller gemalt hat, ist fertig gestellt, wenn auch noch nicht bezahlt. Doch in Gelddingen kennt sich Matthias nicht aus, er hat kein Interesse daran. Ihm reicht es, genug zum Essen zu haben, einen Platz zum Schlafen, Farben, Holz und Leinwand. Mehr braucht er nicht, mehr hat er sich nie gewünscht. Auch Magdalena wird reichen, was er zu bieten hat. Sie ist nicht verwöhnt, strebt nicht nach Putz und Zierrat. »Ich hole dich weg von ihm«, verspricht er. »Schon morgen kümmere ich mich darum.«
»Nein, Matthias«, widerspricht Magdalena. »Du lebst in einer anderen Welt. Da ist kein Platz für mich. Wir sind nicht füreinander bestimmt.«
Die Spielleute lassen ihre Instrumente sinken. Der Tanz ist vorüber, die Paare lösen sich voneinander, streben zu den Bänken am Rande des Platzes, drängen zu den Getränken, wollen die Füße ausruhen. Auch Magdalena löst sich von Matthias. »Doch!«, erwidert er halsstarrig. »Wir sind füreinander bestimmt. Ich bin ganz sicher, und ich werde dich wegholen von dem Henker.«
Magdalena schüttelt den Kopf. »Leb wohl, Matthias«, sagt sie und geht zu dem Dicken, der schon ungeduldig auf sie wartet.
»Auf bald«, ruft Matthias ihr hinterher, doch sie wendet nicht den Kopf, nimmt nur den Arm des Dicken und verschwindet in der Menge.
Begehrte Matthias auf dem Tanzplatz nichts mehr als Magdalena, so schwindet sein Begehren, löst sich in nichts auf, als er am nächsten Tag in Frankfurt einen Brief aus Würzburg, einen Brief von Tilman Riemenschneider, erhält.
Riemenschneider schreibt ihm von Nikolas von Hagenau, der im elsässischen Isenheim einen Altarschrein für die Antoniter schnitzt und dringend die Hilfe eines ausgezeichneten Bildschnitzers sucht. Ein Großteil der Arbeiten sei schon vollbracht, doch Hagenau fehlt es an Kraft für den Rest. Matthias hat von dem Altar gehört. Ein großes Werk soll es werden. Ein Altar für ein Spital der Antoniter. Er erinnert sich an Jakob Ebelson, den Abt des Antoniterklosters in Grünberg, und er erinnert sich auch daran, was Ebelson für ihn getan hat. Er war es, der Matthias auf den richtigen Weg gebracht hat. Dafür ist er ihm noch heute dankbar. Vielleicht nimmt er deshalb den Auftrag an, obgleich er weiß, dass es auch in Frankfurt genug für ihn zu tun gäbe. Oder flieht er vor Magdalena? Flieht er vor seinem Versprechen, das er aus einer Laune des Begehrens heraus gab? Mitnehmen kann er sie nicht, das weiß er. Was soll Magdalena in einem Spital der Antoniter? Sie, eine ehemalige Hure, in einem geistlichen Hause. Nein, ausgeschlossen, sie mitzunehmen. Matthias braucht nicht lange, um seine wenigen Habseligkeiten zu packen. Er ist Maler und Bildschnitzer, zuerst und vor allem das. Nicht geschaffen für Haus, Hof und Weib, nicht geschaffen für Familie und Kinder. Wovon soll er sie ernähren? Wie soll er Magdalena einen Hausstand bieten, wenn die Aufträge verlangen, von Ort zu Ort zu ziehen?
Er ist noch jung, tröstet er sich. Und auch Magdalena ist es noch. Der Alte wird bald sterben, und dann ist noch immer Zeit, für Magdalena und für sich ein Zuhause zu schaffen.
Noch nie hat er einen Altarschrein geschnitzt. Erst muss er sich an dieser Aufgabe erproben, alles andere hat Zeit, muss Zeit haben.
11. K APITEL
14 Monate nachdem Matthias Frankfurt betreten hat, verlässt er die Stadt wieder. Er schließt sich einem Pilgerzug auf dem Weg nach Santiago de Compostela an. Edelleute,
Weitere Kostenlose Bücher