Der Maler und die Lady (German Edition)
einen Mann von beachtlicher Statur wie einen Käfer buchstäblich im Staub zertreten hat.“ Vorsichtig balancierte er zwischen den Zeigefingern eine Karte und legte sie langsam an den vorgesehenen Platz.
Obwohl Fairchild seine ganze Aufmerksamkeit der Errichtung des Kartenhauses widmete, wusste Anatole, dass sich hinter der harmlosen Konversation mehr verbarg.
Geduldig baute Fairchild einen weiteren Flügel an das Gebäude. Das Gebilde nahm immer mehr die Form des Hauses an, in dem sie lebten. „Lara ist eine starke, unabhängige Frau. In Herzensangelegenheiten ist sie jedoch butterweich. Es gibt eine Handvoll Leute, denen sie alles opfern würde. Melanie und Harriet, zum Beispiel. Und mir.“ Auf den Fingerspitzen einer Hand balancierte er eine Karte, als wollte er ihr Gewicht prüfen. „Ja, ich gehöre auch dazu“, wiederholte er leise. „Deshalb ist die Geschichte mit dem Rembrandt so schwierig für sie. Sie fühlt sich zwischen zwei Parteien, mir und der Frau, die ihr in vielen Jahren die Mutter ersetzt hat, hin und her gezogen. Und zu beiden hat sie sich stets loyal verhalten.“
„Sie tun nichts, um diese Situation zu ändern“, meinte Anatole vorwurfsvoll. Entgegen aller Vernunft fühlte er sich versucht, die Karten zur Seite zu fegen und das mit solcher Akribie errichtete Bauwerk umzustoßen. Statt dessen vergrub er die Hände in den Hosentaschen und ballte sie zu Fäusten. Wie konnte er Fairchild Vorwürfe machen, da er doch Lara in fast derselben Art und Weise hinters Licht führte. „Warum geben Sie ihr nicht wenigstens irgendeine Erklärung, sagen ihr etwas, das sie verstehen würde?“
„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, erwiderte Fairchild ruhig. „Das gilt auch für diesen Fall. Je weniger Lara von der Sache weiß, um so besser ist es für sie.“
„Sie haben wirklich Nerven, Philip.“
„Ja, ja, da mögen Sie recht haben.“
Mit bemerkenswert ruhiger Hand stapelte er noch weitere Karten auf und kehrte dann wieder zu dem Thema zurück, das ihm vorrangigerschien. „In Laras Leben hat es Dutzende von Männern gegeben. Sie hatte freie Auswahl und konnte die Verehrer so rasch fallenlassen, wie andere Frauen die Wäsche wechselten. Und doch war sie stets äußerst vorsichtig. Ich glaube, Lara ist der Meinung, sie könnte keinen Mann wirklich lieben. Deshalb beschloss sie, sich mit sehr viel weniger zufriedenzugeben, und nahm Stuarts Antrag an. Diese Einbildung ist natürlich Unsinn.“ Fairchild griff nach seinem Drink und betrachtete sein äußerst baufälliges Werk. „Lara besitzt eine ungeheure Liebesfähigkeit. Wenn sie einen Mann liebt, dann tut sie es mit unerschütterlicher Hingabe und Treue. Und das macht sie verletzlich. Sie liebt sehr intensiv, Anatole.“
Zum ersten Mal bei dieser Unterhaltung hob er den Blick und sah Anatole an. „Als ihre Mutter starb, war sie vollkommen am Boden zerstört. Ich möchte nicht erleben, dass sie dergleichen noch einmal durchmachen muss.“
Was sollte Anatole darauf erwidern? Weniger als ihm lieb war, aber doch die Wahrheit. „Ich will Lara nicht weh tun. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um sie nicht zu verletzen.“
Fairchild betrachtete ihn aufmerksam. Der Blick ging sehr viel tiefer und sah mehr, als manchem lieb war. „Ich glaube Ihnen und hoffe, Sie werden einen Weg finden, dass so etwas nicht geschieht. Und wenn Sie Lara wirklich lieben, werden Sie auch Mittel und Wege finden, bereits angerichteten Schaden zu heilen. Das Spiel hat begonnen, Anatole, das Feld ist abgesteckt. Nun gibt es kein Zurück mehr, nicht wahr?“
Entgeistert starrte Anatole in das rundliche Gesicht vor ihm. „Sie wissen, warum ich hier bin, nicht wahr?“
Mit einem gackernden Lachen wandte Fairchild sich wieder dem Spielkartengebilde zu. In der Tat, Anatole ist ein brillanter Kopf, dachte er anerkennend. „Sagen wir mal, im Moment sind Sie hier, um zu malen und zu … beobachten. Ja, zu beobachten.“ Noch eine Karte wurde dem Gebäude zugefügt. „Gehen Sie zu ihr nach oben. Sie haben meinen Segen, falls Ihnen etwas daran liegt. Das Spiel ist fast vorbei, Anatole. Wir werden bald die Trümmer einsammeln müssen. Der Anfang einer Liebe ist immer sehr zerbrechlich, mein Junge. Wenn Sie Lara behalten wollen, müssen Sie genauso dickköpfig sein wie sie. Denken Sie an meinen Rat.“
Der abnehmende Mond verbreitete ein weiches, milchiges Licht. Engumschlungen und schwer atmend lagen Anatole und Lara immer noch auf der Bettdecke.
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