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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Berufskiller aus.«
    »Das ist der Zweck der Übung, mein Herz.«
    »Wie kannst du Leute so gut töten, wenn du sie nicht gut siehst?«
    »Weil ich sie nicht lese, sondern erschieße.«
    »Bitte, Jean-Paul, fahr endlich los. Ich erfriere noch!«
    »Ich muß das Ziel kennen, bevor ich losfahre.«
    »Liest du immer erst die Gebrauchsanweisung?«
    Er sah sie irritiert an, als finde er ihre Frage anstößig.
    »Natürlich machst du das. Deshalb bist du bei allem, was du tust, so verdammt gut. Jean-Paul Delaroche, der methodische Mann.«
    »Wir haben alle unsere Schwächen«, sagte er, indem er die Anweisungen weglegte. »Ich mache mich auch nicht über deine lustig.«
    Er legte den ersten Gang ein und fuhr an.
    »Wohin fahren wir?« fragte Astrid.
    »Nach Vermont.«
    »Ist das in der Nähe unseres Hauses am Strand?«
    »Nicht ganz.«
    »Scheiße«, sagte sie und schloß die Augen. »Weck mich, wenn wir da sind.«

37
    WASHINGTON, D.C.
     
    Der erste Tag von Michaels Exil war gräßlich. Als der Wecker ihn bei Tagesanbruch weckte, ging er unter die Dusche und drehte das Wasser auf, bevor ihm klar wurde, daß er nirgends hin mußte. Er ging in die Küche hinunter, machte Kaffee und Toast für Elizabeth und brachte ihr das Frühstück ans Bett. Sie frühstückte im Bett und las die Post. Eine halbe Stunde später trat Elizabeth mit zwei Aktenkoffern und zwei Handys aus der Haustür. Michael stand am Wohnzimmerfenster und winkte wie ein Idiot, als sie mit ihrem silbernen Mercedes davonfuhr. Um das Bild zu vervollständigen, brauchte er nur noch Pfeife und Strickjacke.
    Michael las die Zeitung. Er versuchte ein Buch zu lesen, konnte sich aber nicht auf die Seiten konzentrieren. Er wollte die Zeit nutzen, indem er alle Türschlösser des Hauses überprüfte und die Batterien der Alarmanlage auswechselte. Das dauerte insgesamt zwanzig Minuten. Maria, das peruanische Hausmädchen, kam um zehn und trieb ihn mit heulendem Staubsauger und giftiger Möbelpolitur von einem Raum zum anderen. »Draußen ist herrliches Wetter, Señor Miguel!« schrie sie auf spanisch, um das Heulen ihres Staubsaugers zu übertönen. Mit ihm sprach Maria nur in ihrer Muttersprache.
    »Sie sollten etwas unternehmen, statt den ganzen Tag im Haus zu hocken.«
    Michael begriff, daß sein eigenes Hausmädchen ihm soeben die Tür gewiesen hatte. Er ging hinauf, zog Jogginganzug und Laufs chuhe an und kam wieder nach unten. Maria drückte ihm einen Zettel in die Hand, auf dem sie aufgeschrieben hatte, welche Putzmittel er einkaufen sollte. Er steckte die Liste ein und trat aus der Haustür auf die N Street hinaus.

    Für Anfang Dezember war es ziemlich warm, und dies war einer der Tage, die Michael immer glauben ließen, nirgends auf der Welt könne es schöner sein als in Georgetown. Der Himmel war klar, die milde, nur leicht bewegte Luft duftete nach Holzrauch. Die N Street war mit einem Teppich aus roten und gelben Herbstblättern bedeckt, die unter Michaels Füßen raschelten, als er locker über den Gehsteig trabte. Er sah automatisch in alle geparkten Autos, um festzustellen, ob jemand darinsaß. An der ersten Ecke parkte der Lieferwagen einer Firma für Einbauküchen aus Virginia. Michael merkte sich den Namen und das Kennzeichen; er würde später dort anrufen, um sich zu vergewissern, daß die Firma wirklich existierte.
    Er lief den Hügel zur M Street hinunter und überquerte die Key Bridge. Der Wind pfiff über die Brücke und zeichnete Wellenmuster ins stille Wasser des Flusses. Man hätte glauben können, zwei verschiedene Flüsse vor sich zu haben. Rechts von Michael erstreckte sich ein Wildfluß nach Norden in die Ferne.
    Links von ihm lag das Hafengebiet Washingtons: der Komplex am Harbor Place, das Watergate und dahinter das Kennedy Center. Auf dem zu Virginia gehörenden Flußufer sah er sich um, ob er beschattet wurde. Ein hagerer Mann mit einer Baseballmütze aus Georgetown war etwa hundert Meter hinter ihm.
    Michael senkte den Kopf und rannte schneller, an Roosevelt Island vorbei, durchs Gras den George Washington Parkway entlang. Er lief auf die Memorial Bridge und sah über die Schulter zurück. Der Mann mit der Baseballmütze aus Georgetown war noch immer da. Michael blieb stehen, machte Dehnungsübungen und behielt dabei den Fußweg unter der Brücke im Auge. Der Mann mit der Mütze joggte den Potomac entlang nach Süden weiter. Michael setzte sich wieder in Bewegung. In den folgenden zwanzig Minuten sah Michael sechs Männer mit

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