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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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langer Körper war für die Strapazen einer winterlichen Bergwanderung total ungeeignet. Einmal rutschte sie einen Eishang hinunter und blieb unten mit den Füßen gegen einen Baum gestemmt auf dem Rücken liegen.
    Delaroche wußte nicht genau, wo Kanada aufhörte und die Vereinigten Staaten begannen. Hier gab es keine Grenzmarkierung, keinen Zaun, keine sichtbare elektronische Überwachung. Seine Auftraggeber hatten diese Stelle gut ausgesucht. Delaroche erinnerte sich an eine Nacht vor vielen Jahren, in der er als Junge gemeinsam mit zwei KGB-Agenten die tschechoslowakisch-österreichische Grenze überschritten hatte. Er erinnerte sich an die warme Nacht, die Suchscheinwerfer, den Stacheldraht und den schweren Mistgestank in der Luft. Und er erinnerte sich daran, wie er die Pistole gehoben und seine beiden Begleiter erschossen hatte.
    Selbst jetzt, wo er durch einen eisigen Morgen in Vermont wanderte, schloß er kurz die Augen, als er an seine ersten Morde dachte.
    Er hatte auf Befehl Wladimirs gehandelt. Wladimir als seinen Führungsoffizier zu bezeichnen wäre untertrieben gewesen.
    Wladimir war seine Welt. Wladimir war sein ein und alles - sein Lehrer, sein Beichtvater, sein Peiniger, sein Vater. Er lehrte ihn lesen und schreiben. Er lehrte ihn Geschichte und Sprachen.
    Und er lehrte ihn morden. Als es Zeit wurde, in den Westen zu gehen, übergab Wladimir ihn Arbatow, wie ein Vater ein Kind einem Verwandten anvertraut. Wladimirs letzter Befehl war der Auftrag, seine Begleiter zu liquidieren. Daraus zog Delaroche eine sehr wichtige Lehre: Traue keinem Menschen, vor allem keinem KGB-Offizier. Als er älter war, erkannte er, daß Wladimir genau das hatte erreichen wollen.
    Das Gelände wurde einfacher, sobald sie von den Hügeln herabkamen. Delaroche, der mit Karte und Kompaß arbeitete, führte sie zum Rand des Dorfs Highgate Springs, zwei Meilen südlich der Grenze. Der zweite Range Rover stand in einem Kiefernwäldchen neben einem verschneiten Maisfeld für sie bereit. Diesmal sprang der Motor beim ersten Startversuch an.
    Delaroche fuhr vorsichtig die schmale vereiste Landstraße entlang. Astrid, die nach dem Marsch erschöpft war, versank sofort in tiefen, traumlosen Schlaf. Vierzig Minuten später erreichte Delaroche die Interstate 95 und fuhr nach Süden weiter.

39
    WASHINGTON, D.C.
     
    »Warum hat Adrian dich in bezug auf Oktober belogen?«
    In Michaels Ohren klang Elizabeths Frage eigenartig. Fast wie die eines Kindes, das zum erstenmal fragt, wo die Babys herkommen. Ihre neue Offenheit war noch ungewohnt, und ihm war nicht recht wohl, wenn er mit seiner Frau freimütig über dienstliche Angelegenheiten sprach. Andererseits machte es auch Spaß. Wäre Elizabeth nicht Anwältin geworden, hätte sie mit ihrem analytischen Verstand und ihrer verschlossenen Art eine gute Geheimdienstlerin abgegeben.
    »Alle Geheimdienste arbeiten nach dem Prinzip, daß jeder nur erfährt, was er wissen muß. Man könnte sagen, daß ich von Oktobers Existenz nichts wissen mußte und deshalb nie darüber informiert worden bin.«
    »Aber er hat Sarah vor deinen Augen ermordet, Michael!
    Wenn irgend jemand hätte sehen dürfen, was die Agency über ihn wußte, dann doch du!«
    »Ein gutes Argument, aber Geheimdienstoffizieren werden aus verschiedensten Gründen ständig irgendwelche Informationen vorenthalten.«
    »Die Sowjetunion existiert seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Wie kommt's dann, daß Oktobers Akte noch immer streng geheim ist?«
    »In der Welt der Geheimdienste geben wir unsere Toten nur widerstrebend auf. Nichts hat ein Nachrichtendienst lieber als einen schönen Stapel wertloser Geheimnisse.«
    »Vielleicht wollte jemand das Material geheimhalten.«
    »An diese Möglichkeit habe ich auch schon gedacht.«
    Michael hielt vor dem Redaktionsgebäude der Washington  Post in der 15th Street. Tom Logan hatte Elizabeth um ein Gespräch gebeten. Michael hatte eigentlich im Auto warten wollen, aber jetzt fragte er: »Stört's dich, wenn ich mitkomme?«
    »Keineswegs, aber wir müssen uns beeilen. Wir sind schon spät dran.«
    »Wo sollst du dich mit ihm treffen?«
    »In seinem Büro. Warum?«
    »Ich bin bloß nicht scharf auf geschlossene Räume, das ist alles.«
    »Michael, wir sind nicht in Ost-Berlin. Laß den Unsinn!«
    Aber Michael hielt bereits den Hörer seines Autotelefons in der Hand. »Welche Nebenstelle hat er?«
    »Fünfsechs achtvier.«
    Das Telefon klingelte, und Logans Sekretärin meldete

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