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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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sich.
    »Michael Osbourne. Kann ich bitte Mr. Logan sprechen?«
    Logan kam an den Apparat. »Hallo, Mike.«
    »Elizabeth und ich sind unten. Spricht was dagegen, daß wir uns anderswo treffen?«
    »Natürlich nicht.«
    »Fifteenth Street, silbergrauer Jaguar.«
    »Ich bin in fünf Minuten unten.«
    Michael legte den Hörer wieder in die Halterung. Elizabeth fragte: »Wo ist das Problem?«
    »Kennst du das Gefühl, das man hat, wenn man von jemandem beobachtet wird?«
    »Klar.«
    »Das habe ich jetzt. Ich kann den Kerl nicht entdecken, aber ich weiß, daß er da ist.« Michael sah kurz in den Rückspiegel.
    »Dafür habe ich einen guten Instinkt«, sagte er geistesabwesend.
    »Und auf meinen Instinkt kann ich mich immer verlassen.«
    Fünf Minuten später trat Logan aus dem Portal. Er war groß und hatte eine Stirnglatze; der Wind zerzauste seine spärlichen langen grauen Haare. Er trug keinen Mantel, sondern hatte nur einen roten Schal um seinen mageren Hals geschlungen und die Hände tief in den Taschen seiner grauen Flanellhose vergraben.
    Michael beugte sich über die Sitzlehne und öffnete ihm die hintere Tür. Logan stieg ein und sagte: »Gott, ich liebe das Wetter in dieser Stadt. Gestern zwanzig Grad, heute fünf.«
    Michael trat das Gaspedal durch, und der Jaguar schoß vom Randstein in den dichten Innenstadtverkehr Washingtons hinaus.
    Logan schnallte sich an und umklammerte mit einer Hand die Armstütze.
    »Was machen Sie beruflich, Mike?«
    »Ich verkaufe ausländischen Großkunden Computer.«
    »Ah, klingt interessant.«
    Michael bog an der M Street links ab und raste weiter bis zur New Hampshire Avenue. Mit quietschenden Reifen fegte er um den Dupont Circle und beschleunigte auf der Massachusetts Avenue in Richtung Westen. Er schlängelte sich gekonnt durch den dichten Verkehr und schaute mehr in seinen Rückspiegel als auf die Fahrbahn vor ihm. 
    Logan hatte inzwischen fast die Armlehne von der hinteren Tür gerissen. »Ich habe vorhin den Namen Ihrer Firma nicht mitbekommen, Mike.«
    »Weil ich ihn nicht gesagt habe. Und mir ist Michael lieber, Tom.«
    Elizabeth drehte sich um und sah längere Zeit nach hinten.
    »Irgendwer?« fragte sie.
    »Falls jemand dagewesen ist, haben wir ihn abgehängt.«
    Er fuhr langsamer, schwamm im Verkehrsstrom mit. Logan ließ die Armlehne los und atmete auf.
    »Computerverkäufer, daß ich nicht lache!« sagte er.
    Henry Rodriguez hatte an diesem Tag den Auftrag, Elizabeth Osbourne zu beschatten, aber er brach die Verfolgung auf der M Street ab. Als ehemaliger CIA-Offizier im Außendienst konnte Michael Osbourne selbst eine raffinierte Überwachung erkennen. Einen Mann, der unzulänglich als Ausfahrer eines Chinarestaurants getarnt war, hätte er nach wenigen Minuten erkannt. Er hielt am Randstein und rief Mark Calahan in der Einsatzzentrale in Kalorama an.
    »Er hat eindeutig versucht, einen Verfolger abzuschütteln«, berichtete Rodriguez. »Wäre ich drangeblieben, hätte er mich erkannt.«
    »Gute Entscheidung. Fahr nach Georgetown. Warte dort, bis sie wieder aufkreuzen.«
    Calahan ging in die Bibliothek, um Mitchell Elliott die Entwicklung zu melden.
    »Logan braucht offenbar Hilfe«, sagte Elliott. »Warum sollte er sich sonst jetzt mit ihr treffen?«
    »Sie kann uns ernstlich schaden. Vielleicht sollten wir die Zügel etwas straffer anziehen.«
    »Richtig«, stimmte Elliott zu. »Ich glaube, es wird Zeit, daß Henry wieder arbeitet.«
    »Ihm wird's nicht gefallen, daß er wieder Putzmann spielen soll. Er hat das Gefühl, von uns wegen seiner hispanischen Abstammung diskriminiert zu werden.«
    »Paßt ihm das nicht, soll er eine Beschwerde bei der EEOC einreichen. Ich bezahle ihn gut dafür, daß er alles macht, was ich verlange.«
    Calahan grinste. »Ja, Sir, Mr. Elliott.«
    Michael fand eine Parklücke in der East Capitol Street. Er holte für Tom Logan eine alte Windjacke aus dem Kofferraum, und sie gingen unter dem kalten schiefergrauen Himmel durch den Lincoln Park.
    »Wieviel von Susannas Originalmaterial haben Sie gelesen?« fragte Logan.
    »Genug, um im Bilde zu sein«, antwortete Elizabeth.
    »Lassen Sie mich rekapitulieren«, sagte Logan. »Anfang der achtziger Jahre wollte Beckwith aus der Politik aussteigen.
    Genauer gesagt, Anne Beckwith wollte aussteigen. Sie wollte ihren Mann in seinen Beruf zurücklotsen, in dem er klotzig verdienen konnte, bevor er zu alt war. Beide hatten etwas Geld geerbt, aber nicht genug, um luxuriös leben zu können.

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