Der Maler
Justizministerium werde sofort mit einer umfassenden Untersuchung aller Kapitalbeschaffungsmaßnahmen Vandenbergs im Zusammenhang mit seinen Präsidentenwahlkämpfen beginnen. Beckwith verließ den Presseraum, ohne Fragen zu beantworten, und verbrachte mit Anne einen ruhigen Abend im Wohntrakt des Weißen Hauses.
Am folgenden Morgen widmete die Post einen großen Teil ihrer Titelseite dem mutmaßlichen Selbstmord Paul Vandenbergs. In diesem Zusammenhang brachte sie auch einen längeren Bericht über die finanziellen Beziehungen zwischen James Beckwith und Mitchell Elliott. Der Artikel zweifelte die Behauptung in Vandenbergs Abschiedsbrief an, er allein sei für die vielen finanziellen Transaktionen verantwortlich, durch die das Ehepaar Beckwith im Lauf der Jahre reich geworden sei.
Eine Mitschuld angelastet wurde auch Samuel Braxton, Mitchell Elliotts Washingtoner Anwalt, der Beckwiths Außenminister werden sollte.
Unter dem Bericht standen die Namen von zwei Autoren: Tom Logan und Susanna Dayton.
JANUAR
51
SHELTER ISLAND, NEW YORK
Manche Nächte waren besser als andere. In manchen Nächten sah Elizabeth im Traum alles wieder, wachte schreiend auf und versuchte sich imaginäre Blutflecken von den Händen zu wischen. In manchen Nächten schrak Michael auf, weil er geträumt hatte, Oktober habe ihn nicht einmal in die Brust, sondern dreimal ins Gesicht geschossen. Das Gästehaus wurde komplett renoviert, aber Elizabeth betrat es nie wieder.
Manchmal saß Michael am Ende des Bootsstegs und starrte ins Wasser. Manchmal verging eine Stunde, bevor er wieder aus seiner Trance erwachte. Manchmal beobachtete Elizabeth ihn vom Rasen aus und fragte sich, was ihn beschäftigte.
Was nach seiner Verletzung passiert war, wußte Michael nur aus den Zeitungen und dem Fernsehen, aber wie jeder echte Geheimdienstmann betrachtete er die Medien ohnehin nur als störendes Hintergrundgeräusch. Der neue Hausmeis ter fuhr jeden Morgen zum Drugstore in Shelter Island Heights, holte drei Zeitungen - New York Times, Wall Street Journal, Newsday - und legte sie auf Michaels Nachttisch. Am Neujahrstag fühlte Michael sich kräftig genug, um wenigstens mitzufahren. Er saß schweigend auf dem Beifahrersitz seines Jaguars und starrte aufs Wasser oder die winterkahlen Bäume. Michaels Interesse ließ im Lauf des Monats Januar nach, und am Tag der Amtseinführung des Präsidenten hatte er ganz aufgehört, die Zeitungen zu lesen.
Beckwith hatte den Sturm erfolgreich überstanden. Das wurde vor allem seiner Frau zugeschrieben. Nach Paul Vandenbergs Tod war Anne zur wichtigsten Beraterin des Präsidenten geworden. Newsweek setzte ihr Bild in der Weihnachtswoche auf die Titelseite. In einem ausführlichen Artikel wurde ihr politisches Gespür hoch gelobt; Anne würde eine entscheidende Rolle im Hintergrund spielen müssen, wenn Beckwiths zweite Amtszeit ein Erfolg werden sollte. Die Fernsehjournalisten waren sich darüber einig, daß Anne hinter der Forderung des Präsidenten nach einer umfassenden Änderung der Wahlkampffinanzierung steckte. Mit dem Eifer eines Neubekehrten forderte Beckwith das Verbot verdeckter Parteispenden und schlug vor, die Fernsehgesellschaften sollten Kandidaten kostenlos Sendezeit zur Verfügung stellen. Am Tag seiner Amtseinführung gaben sechzig Prozent aller Amerikaner in Umfragen an, mit seiner Politik zufrieden zu sein.
Zwei von Beckwiths engsten Freunden und Förderern erging es weniger gut. Samuel Braxton war gezwungen, seine Bewerbung um das Amt des Außenministers zurückzuziehen. Er bestritt zwar, sich jemals unkorrekt verhalten zu haben, sagte aber, er wolle die amerikanische Außenpolitik nicht durch einen langen, der Sache nicht dienlichen Kampf um die Bestätigung seiner Nominierung lähmen. Medienberichten zufolge war es Anne gewesen, die Braxton von der Klippe gestoßen hatte.
Die Firma Alatron Defense Systems gab den Auftrag zum Bau eines nationalen Raketenabwehrsystems freiwillig zurück, nachdem Andrew Sterling, Beckwiths unterlegener Konkurrent, als Vorsitzender des Streitkräfteausschusses im Senat »hochnotpeinliche Ermittlungen« gegen Mitchell Elliott angekündigt hatte. Der Auftrag ging an einen anderen Rüstungskonzern in Kalifornien, und Sterling stimmte dieser Lösung widerstrebend zu.
Zwei Tage vor der Amtseinführung Beckwiths gaben FBI und United States Park Police das Ergebnis ihrer Ermittlungen wegen des Todes von Paul Vandenberg, Stabschef des Weißen Hauses, bekannt.
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