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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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er aus drei Meter Entfernung hätte putten müssen, um einzulochen. »Scheiße«, sagte er. »Für Golf ist's heute echt zu kalt. Komm, wir verbringen den Nachmittag lieber am Kamin und trinken uns einen an.«
    »Hast du meine Ausarbeitung gelesen?« fragte Michael, als Carter einen italienischen Merlot entkorkte und zwei Gläser vollschenkte.
    »Ja, ich habe sie gelesen«, antwortete Carter. »Ich hatte die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: in den Reißwolf damit oder nach oben weitergeben.«
    »Wofür hast du dich entschieden?«
    »Ich habe die Feiglingsroute gewählt und deine Ausarbeitung kommentarlos nach oben weitergegeben.«
    »Du bist ein Scheißkerl.«
    »Das ist ein alter Bürokratentrick. So schützt man seine Flanke.«

    »Oder seinen Arsch.«
    »Das ist das gleiche«, sagte Carter gelassen. »Du solltest dir ein Beispiel an mir nehmen. Dein Arsch hängt meistens ungeschützt im Wind.«
    »Ich bin Außendienstler, Adrian. Die taugen nicht für den Innendienst. Das hast du immer selbst gesagt.«
    »Das stimmt auch.«
    »Wie kommt es dann, daß du ein so hervorragender Bürokrat geworden bist?«
    »Ich wollte ein vernünftiges Leben führen, und das konnte ich nicht, solange ich unterwegs war und ständig überlegen mußte, welchen Decknamen ich diese Woche habe.«
    »Wem hast du mein Papier gegeben?«
    »Monica Tyler, versteht sich.«
    »Laß mich raten - sie hat es eingestampft.«
    »In einer New Yorker Minute.«
    »Von ihr habe ich nichts anderes erwartet.«
    »Warum hast du überhaupt alles aufgeschrieben?«
    »Weil ich glaube, daß es wahr ist.«
    »Du glaubst im Ernst, daß Mitchell Elliott mit Hilfe eines verbrecherischen Geheimbunds eine Maschine hat abschießen lassen, um sein Raketenabwehrsystem bauen zu können?«
    »Ja, das glaube ich«, sagte Michael nickend.
    »Das gehört in die Kategorie Anschuldigungen, die viel zu gefährlich sind, um ohne hieb-und stichfeste Beweise vorgebracht werden zu dürfen. Monica hat das sofort erkannt, und ich habe ihr zustimmen müssen. Ich begreife offen gesagt nicht, warum jemand mit deiner Erfahrung da nicht selbst drauf kommt.«
    Elizabeth klopfte an und kam herein. Der Senator hatte sie dazu überredet, an diesem Nachmittag ein paar Stunden mit ihm zu segeln. Ihr Gesicht war von der Kälte gerötet. Sie stellte sich an den Kamin und wärmte ihre Rückseite am Feuer.
    »Ich dachte, du solltest dich schonen«, sagte Carter.
    »Dad hat die Athena ganz allein gesegelt«, antwortete sie.
    »Ich habe nur Kräutertee getrunken und mich bemüht, nicht zu erfrieren.«
    »Sonst alles in Ordnung?« fragte Carter.
    »Alles bestens. Den Babys geht's ausgezeichnet.«
    »Gott, das ist wunderbar«, sagte er mit breitem Lächeln auf seinem sonst eher mürrischen Gesicht.
    »Worüber redet ihr?«
    »Geschäft«, antwortete Carter.
    »Um Himmels willen, dann gehe ich lieber.«
    »Bleib!« forderte Michael sie auf.
    »Michael, das sind auch Dinge, die...«
    »Sie kann sie jetzt hören, oder sie kann sie später im Bett hören. Such's dir aus, Adrian.«
    »Bleib«, sagte er. »Außerdem ist es nett, etwas Hübsches ansehen zu können. Mach dich nützlich, Michael, und schenk mir Wein nach. Elizabeth?«
    »Nicht für mich, danke. Ich muß für eine Weile auf Alkohol und Zigaretten verzichten.«
    Carter trank einen Schluck Wein, dann sagte er: »Vorgestern haben wir einen Bericht des französischen Geheimdienstes erhalten. Unsere französischen Kollegen glauben, Oktobers Tarnexistenz entdeckt zu haben. Er hat unter dem Namen Jean-Paul Delaroche an der bretonischen Küste gelebt. In einem Dorf namens Breies.«
    »Jesus, dort sind wir schon mal gewesen, Michael!«
    »Er hat zurückgezogen in einem kleinen Haus auf den Klippen gewohnt. Anscheinend ist er auch ein begabter Maler gewesen. Die Franzosen halten diese Sache so geheim, wie es nur die Franzosen können. Wir fahnden weltweit nach ihm, aber bisher ist er noch nirgends aufgetaucht. Außerdem haben wir aus verschiedenen Quellen erfahren, daß er tatsächlich tot sein soll.«
    »Tot? Wie das?«
    »Sein oder seine Auftraggeber sind anscheinend unzufrieden gewesen, weil er's nicht geschafft hat, dich umzubringen.«
    »Ich hoffe nur, daß sie ihn vorher gefoltert haben«, sagte Elizabeth.
    Michael starrte aus dem Fenster auf die mit weißschäumenden Wogen bedeckte Bucht hinaus.
    »Woran denkst du, Michael?« fragte Elizabeth.
    »Ich würde nur gern die Leiche sehen, das ist alles.«
    »Das möchten wir alle«, sagte Carter.

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