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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Er schaltete den Computer aus und ging wieder ins Bett.

9
    WASHINGTON, D.C.
     
    Am nächsten Morgen blätterte Paul Vandenberg einen Stapel Zeitungen durch, während der Chauffeur seiner schwarzen Limousine das Weiße Haus ansteuerte. Die meisten Führungskräfte im Weißen Haus zogen es vor, den Pressespiegel zu überfliegen, den die Pressestelle jeden Morgen zusammenstellte, aber Vandenberg, ein schneller und unersättlicher Leser, wollte die Originalmeldungen sehen. Er wollte sehen, wie die Story aufgemacht war. Stand sie auf der oberen oder der unteren Hälfte der Seite? War sie auf der Titelseite plaziert oder im Inneren des Blatts vergraben?
    Außerdem mißtraute er im allgemeinen Zusammenfassungen. Er mochte Rohinformationen, Rohdaten. Er besaß ein Gehirn, das imstande war, Unmengen von Informationen zu speichern und zu verarbeiten, anders als sein Boß, der mundgerecht vorbereitete Happen brauchte.
    Vandenberg gefiel, was er sah. Der Abschuß von Flug 002 beherrschte die Titelseiten aller großen US-Zeitungen. Der Präsidentschaftswahlkampf schien nicht länger zu existieren.
    Die Los Angeles Times meldete die Sensation dieses Morgens: amerikanische Justiz- und Geheimdienstkreise bezeichneten das Schwert von Gaza als für den Anschlag verantwortlich. Die Zeitung brachte zahlreiche Details bis hin zu Zeichnungen mit dem Ablauf des Terroranschlags und einer Biographie des Terroristen Hassan Mahmoud. Vandenberg lächelte; die Idee, der Los Angeles Times vertrauliche Informationen zuzuspielen, war seine gewesen. Sie war die wichtigste Zeitung Kaliforniens, und bis zur Wahl würde Beckwith sicher noch ein paar Gefälligkeiten brauchen.
    Der Rest war ebenfalls gut. Über die Reise des Präsidenten nach Long Island wurde ausführlich berichtet. Die New York Times und die Washington Post gaben seine kurze Ansprache bei dem Trauergottesdienst wörtlich wieder. Alle Zeitungen brachten ein von Associated Press verbreitetes Foto, auf dem Beckwith die Mutter eine s der jungen Absturzopfer tröstete.
    Beckwith als Vaterfigur. Beckwith in der ersten Reihe der Trauernden. Beckwith als Racheengel. Für Sterling war da kein Platz mehr. Seine Wahlkampfreise durch Kalifornien war lediglich der LA Times einen kleinen Artikel wert. Perfekt!
    Die Limousine fuhr vor dem Weißen Haus vor. Vandenberg stieg aus und betrat den Westflügel. Sein geräumiges Büro war geschmackvoll eingerichtet und hatte Fenstertüren, die auf eine kleine Terrasse mit Natursteinbelag vor dem Südrasen hinausführten. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und blätterte einen Stapel Gesprächsnotizen durch. Dann warf er einen Blick auf die Termine des Präsidenten. Vandenberg hatte dafür gesorgt, daß alle gestrichen wurden, die nichts mit Flug 002 zu tun hatten. Beckwith sollte ausgeruht und entspannt wirken, wenn er heute abend vor die Kameras trat. Es war möglicherweise der wichtigste Augenblick seiner Präsidentschaft, vielleicht seiner gesamten Karriere.
    Eine seiner drei Sekretärinnen steckte ihren Kopf durch die Tür herein. »Kaffee, Mr. Vandenberg?«
    »Bitte, Margaret.«
    Um halb acht versammelten die leitenden Mitarbeiter sich in seinem Büro: die Pressereferentin, der Haushaltsdirektor, der Kommunikationsdirektor, die Beraterin für Innenpolitik, der Verbindungsmann zum Kongreß und der Stellvertreter des Nationalen Sicherheitsberaters. Vandenberg legte Wert auf kurze, informelle Besprechungen. Jeder Mitarbeiter brachte sein Notizbuch, einen Becher Kaffee und eine Donut oder ein Bagel mit. Vandenberg befragte einen nach dem anderen, ließ sich informieren, gab Anweisungen und schaffte Probleme aus der Welt. Die Besprechung endete planmäßig um Viertel vor acht.

    So blieb ihm vor seiner Besprechung mit Beckwith noch eine Viertelstunde Zeit.
    »Margaret, bitte keine Besucher oder Telefongespräche.«
    »Ja, Mr. Vandenberg.«
    Paul Vandenberg stand seit zwanzig Jahren an James Beckwiths Seite - auf dem Capitol Hill und in Sacramento -, aber dies war die kritischste aller Besprechungen. Er öffnete die Fenstertür, trat auf die sonnenbeschienene Terrasse hinaus und atmete die kalte Oktoberluft tief ein. Die Medien spekulierten viel über seine Macht, aber selbst das abgebrühte Washingtoner Pressekorps wäre über Paul Vandenbergs wahren Einfluß schockiert gewesen. Die meisten seiner Vorgänger hatten ihre Aufgabe darin gesehen, dem Präsidenten bei seinen Entscheidungen zu helfen, indem sie dafür sorgten, daß er mit den richtigen

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