Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
dalassen wolle. Delaroche schüttelte den Kopf und antwortete in holländisch gefärbtem Französisch, er nehme ihn lieber mit.
    Der Treff sollte in einer Wohnung in der Rue de Tournefort im 5. Arrondissement stattfinden. Professionelle Beschatter waren selbst unter günstigen Umständen schwer zu erkennen, aber nachts und in einer Großstadt wie Paris war das noch schwieriger. Delaroche war einige Ze it unterwegs, überquerte die Seine und schlenderte den Quai de Montebello entlang. Er blieb mehrmals unvermittelt stehen. Er kramte in den Auslagen der Buchhändler am Quai. Er kaufte an einem Zeitungskiosk die Abendausgaben. Er betrat eine öffentliche Tele fonzelle und tat so, als wolle er telefonieren. Jedesmal suchte er seine Umgebung sorgfältig ab, ohne irgendein Anzeichen dafür entdecken zu können, daß er beschattet wurde.
    Delaroche schlenderte eine Viertelstunde lang kreuz und quer durchs Quartier Latin mit seinen schmalen Gassen. Die kalte Nachtluft roch nach Gewürzen und Zigarettenrauch. In einer Bar trank er ein Bier, während er seine Abendzeitungen durchblätterte. Auch dabei fiel ihm nirgends ein Beschatter auf.
    Er trank sein Bier aus und verließ die Bar.
    Das Apartment entsprach genau Arbatows Beschreibung. Es lag im zweiten Stock eines alten Hauses in der Rue de Tournefort mit Blick auf die Place de la Contrescarpe. Vom Gehsteig aus sah Delaroche, daß die auf die Straße hinausgehenden Fenster dunkel waren. Und er stellte fest, daß über der Haustür eine kleine Videokamera installiert war, damit die Mieter sehen konnten, wer sie besuchen wollte.
    An der Ecke lag ein Bistro mit gutem Blick auf das Apartment und den Hauseingang. Delaroche fand einen Fenstertisch und bestellte die überbackene Poularde nach Art des Hauses und eine halbe Flasche Côtesdu-Rhòne. Das kleine Lokal war ein typisches Pariser Bistro: warm und laut, hauptsächlich von Viertelbewohnern und Studenten der Sorbonne besucht.
    Während er aufs Essen wartete, las Delaroche eine Analyse des Washingtoner Korrespondenten von Le Monde. Der Journalist schrieb, die amerikanischen Luftangriffe auf Lager des Schwerts von Gaza in Syrien und Libyen hätten dem Friedensprozeß im Nahen Osten schwer geschadet. Syrien und Libyen rüsteten mit moderneren, gefährlicheren Waffen auf, viele davon aus französischer Produktion. Die Verhandlungen zwischen Palästinensern und Israelis waren nach wochenlangen Unruhen im Gazastreifen und in Westjordanland zum Stillstand gekommen. Geheimdienstkreise warnten vor weiteren internationalen Terroranschlägen. Westeuropäische Diplomaten klagten darüber, daß die Amerikaner sich gerächt hätten, ohne die möglichen Konsequenzen zu bedenken. Delaroche legte die Zeitung weg, als sein Essen kam. Er staunte jedesmal wieder darüber, wie ahnungslos Journalisten in bezug auf die Welt der Geheimdienste waren.
    Ein Mann, der das Wohnhaus in der Rue de Tournefort betrat, erregte seine Aufmerksamkeit.
    Delaroche musterte ihn aufmerksam: Klein, schütteres blondes Haar, eine stämmige Ringerfigur, die bereits etwas Fett angesetzt hatte. Der Schnitt seines Mantels wies ihn als Amerikaner aus. An seinem Arm hing eine hübsche Nutte, größer als er, mit schulterlangen schwarzen Haaren und knallroten Lippen. Der Amerikaner schloß die Tür auf, und die beiden verschwanden im dunklen Hausflur. Wenig später ging im zweiten Stock das Licht an.
    Delaroches Laune besserte sich schlagartig. Er hatte befürchtet, dort drüben in eine Falle zu geraten. In einer fremden Wohnung, aus der es keinen Ausweg gab, wäre er eine leichte Beute gewesen, falls der Treff von einem seiner Feinde arrangiert worden war. Aber ein Agent, der eine Nutte in ein sicheres Haus mitnahm, konnte ihn nicht wirklich gefährden.
    Nur ein Amateur oder ein undisziplinierter Profi wäre dieses Risiko eingegangen.
    Delaroche beschloß, morgen zu dem Treff zu gehen.
    Am nächsten Morgen stand Delaroche früh auf und joggte durch die Tuilerien. Er trug einen dunkelblauen Anorak, um sich vor dem Nieselregen zu schützen, der einen zarten Schleier über den Park legte. Er lief eine Dreiviertelstunde lang in flottem Tempo, der Kies der Parkwege knirschte unter seinen Schuhen.
    Auf dem letzten Kilometer legte er noch einen Zahn zu.
    Schließlich stand er keuchend und nach Atem ringend auf der Rue de Rivoli, wo die Menschen an ihm vorbei zur Arbeit hasteten.

    In seinem Hotelzimmer duschte er und zog sich um. Seine 9mm-Glock hatte er dabei immer in bequemer

Weitere Kostenlose Bücher