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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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hatte er eine Million Dollar erhalten. Aber wenn er nachts in seinem Haus allein war und nur das Rauschen der Brandung hörte, sah er das brennende Verkehrsflugzeug in den Atlantik stürzen. Er bildete sich ein, die Schreie der Passagiere zu hören, während sie auf den sicheren Tod warteten. Bei allen früheren Aufträgen hatte er die Zielpersonen genau gekannt. Es waren böse Menschen, die Böses taten und mit den Risiken des Spiels, das sie spielten, vertraut waren. Und er hatte sie jeweils von Angesicht zu Angesicht getötet. Der Abschuß einer Verkehrsmaschine verstieß gegen sein selbstauferlegtes Gebot:

    Du sollst keine Unschuldigen töten.
    Er beschloß, zu dem Treff mit Arbatow zu fahren und sich das Angebot anzuhören. War es gut und lukrativ, würde er es vielleicht annehmen. Falls nicht, würde er sich zurückziehen, die bretonische Landschaft malen, in seinem Steinhaus am Meer Wein trinken und mit keinem Menschen mehr reden.
    Eine Stunde später war das Bild fertig. Es war gut, fand er, aber es ließ sich noch verbessern. Die untergehende Sonne tauchte die Ferme in scharlachrotes Zwielicht. Sobald die Sonne verschwunden war, wurde die Luft plötzlich kalt und duftete nach Holzrauch und schmorendem Knoblauch. Er machte sich ein Brot mit Leberpastete und trank ein Bier, während er seine Sachen zusammenräumte. Die Polaroidbilder und seine Skizzen steckte er ein; er würde sie brauchen, um in seinem Atelier eine zweite, bessere Fassung dieses Bildes zu malen. Er stellte das Weinglas, den halbleeren Teller und das noch feuchte Aquarell vor der Tür der Ferme ab und ging zu seinem Mercedes zurück.
    Der dreibeinige Hund kläffte ihm nach, als er davonfuhr, und machte sich dann über den Rest Wurst her.
    Als Delaroche am nächsten Morgen von Breies nach Roscoff fuhr, goß es in Strömen. Er erreichte die Pier pünktlich um zehn Uhr und sah Arbatow, ein Bild des Jammers, im Regen auf und ab gehen. Delaroche parkte seinen Wagen und beobachtete Arbatow einen Augenblick, bevor er sich ihm näherte.
    Michail Arbatow hatte mehr Ähnlichkeit mit einem alternden Professor als mit einem KGB-Führungsoffizier, und Delaroche konnte sich wie jedesmal kaum vorstellen, daß dieser Mann unzählige Morde überwacht hatte. Das Pariser Leben bekam ihm offenbar; er war dicker, als Delaroche ihn in Erinnerung hatte, und seine anscheinend frische Gesichtsfarbe war auf übermäßigen Wein-und Cognacgenuß zurückzuführen.
    Arbatow trug wie gewöhnlich einen schwarzen Rollkragenpullover und einen Trenc hcoat, der aussah, als gehöre er einem größeren, schlankeren Mann. Auf dem Kopf hatte er einen wasserdichten Hut ohne Krempe, wie ihn Pensionisten überall tragen. Seine Nickelbrille schien wie immer mehr zu schaden als zu nützen. Die Gläser waren angelaufen, und sie drohte von Arbatows Boxernase zu rutschen.
    Delaroche stieg aus und näherte sich ihm von hinten. Der alte Fuchs Arbatow zuckte mit keiner Wimper, als Delaroche neben ihm auftauchte. Sie gingen eine Zeitlang nebeneinander her, wobei Delaroche Mühe hatte, mit Arbatows unbeholfenem Watscheln Schritt zu halten. Er schien Schwierigkeiten mit dem Halten des Gleichgewichts zu haben, und Delaroche mußte mehrmals dem Impuls widerstehen, ihn mit ausgestreckter Hand zu stützen.
    Arbatow blieb stehen und wandte sich Delaroche zu. Er betrachtete ihn mit einem offenen, leicht nachdenklichen Blick seiner grauen Augen, die durch die dicken Brillengläser stark vergrößert wurden. »Jesus, ich bin wirklich zu alt für diesen Straßenscheiß«, sagte er in seinem tadellosen, akzentfreien Französisch. »Zu alt und zu abgekämpft. Fahr mich irgendwo hin, wo man sich aufwärmen und ordentlich essen kann.«
    Delaroche fuhr zu einem guten Café am Hafen. Fünf Minuten später standen zwei Teller mit Gruyère-Champ ignon-Omeletts und Schalen mit dampfendem Milchkaffee vor ihnen. Arbatow verschlang sein Omelett und zündete sich eine gräßliche Gauloise an, bevor Delaroche auch nur halb aufgegessen hatte.
    Dann klagte er über Kälte und bestellte sich einen Cognac. Er leerte sein Glas mit zwei Schlucken, zündete sich die nächste Zigarette an und blies dünne Rauchfahnen gegen die dunkel gestrichenen Deckenbalken. Die beiden Männer saßen schweigend da. Ein Außenstehender hätte sie für Vater und Sohn halten können, die täglich miteinander frühstückten, was Delaroche gerade recht war.
    »Sie wollen dich wieder«, sagte Arbatow, sobald Delaroche aufgegessen hatte. Delaroche

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