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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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den Russen gesagt, sie wolle aussteigen? Er stellte sich Sarah in ihrer schrecklichen Wohnung vor, wie ihr schlanker Leib sich ihm im Kerzenschein entgegenwölbte, wie ihr langes Haar über ihre Brüste fiel. Er roch ihr Haar, ihren Atem, schmeckte Salz auf zartweißer Haut.
    Ihr Liebesakt war eine religiöse Erfahrung gewesen. War er völlig erlogen gewesen, war Sarah Randolph die beste Agentin, die er je gekannt hatte?
    Er überlegte, ob sie je etwas Brauchbares erfahren hatte.
    Vielleicht hätte er sie doch der Personalüberwachung melden sollen. Sie hätte Sarahs Vergangenheit durchleuchtet, sie überwacht und die Treffs mit dem russischen Führungsoffizier beobachtet. Dann wäre das alles nicht passiert. Er fragte sich, ob er ihre Affäre nachträglich melden sollte, aber dann hätte er auch Drosdow erwähnen müssen, worauf die halbe Agency und der halbe MI6 seinen Skalp gefordert hätten. Und er überlegte, was er Elizabeth erzählen sollte. Versprich mir, mich niemals zu belügen, Michael. Du darfst mir Dinge vorenthalten, mich aber nie belügen. Ich wollte, ich könnte dir die Wahrheit sagen, dachte er, aber der Teufel soll mich holen, wenn ich sie weiß.
    Am Leicester Square setzte Michael sich auf eine Bank und wartete auf seine Aufpasser. Mit einem Taxi fuhren sie zu der sicheren Wohnung in einem häßlichen weißen Gebäude mit Blick auf den Bahnhof Paddington. Sie war schlimmer, als Michael sie in Erinnerung hatte: fleckige Clubhausmöbel, staubige Vorhänge, Plastikgeschirr in einer Küche aus der Nachkriegszeit. Der muffige Geruc h in den Zimmern erinnerte Michael an sein Studentenwohnheim in Dartmouth. Wheaton hatte dafür gesorgt, daß im Kühlschrank Aufschnitt, Käse und Bier von Sainsbury's lagen.
    Michael duschte und zog seine neuen Sachen an. Als er dann ins Wohnzimmer kam, futterten seine Aufpasser belegte Brote und verfolgten auf dem flimmernden Bildschirm ein englisches Fußballspiel. Irgend etwas an dieser Szene deprimierte ihn zutiefst. Er mußte Elizabeth in New York anrufen, aber er wußte, daß sie sich streiten würden, und hatte keine Lust, die Agency mithören zu lassen.
    »Ich gehe aus«, verkündete Michael.
    »Wheaton sagt, daß Sie dableiben sollen«, sagte einer der Aufpasser, der den Mund voller Schinken, Cheddarkäse und französischem Weißbrot hatte.
    »Was Wheaton sagt, ist mir scheißegal. Ich will nicht den ganzen Abend hier mit euch Clowns rumhocken.« Er machte eine Pause. »Also, wir können gemeinsam gehen, oder ich hänge euch in ungefähr fünf Minuten ab, und ihr müßt dann Wheaton anrufen und es ihm erzählen.«
    Sie fuhren nach Be lgravia und parkten am Eaton Place vor dem schmalen Stadthaus der Seymours. Die Aufpasser warteten in ihrem Dienstwagen. Die Straße glänzte im Regen und im Licht der elfenbeinweißen Fassaden der georgianischen Terrasse. Durch die Fenster sah Michael Helen in ihrer Küche, wo sie sich auf das kulinarische Desaster dieses Abends konzentrierte, während Graham Zeitung lesend oben im Wohnzimmer saß. Michael ging die regennasse Treppe hinunter und klopfte an die Küchentür.
    Helen küßte ihn auf die Wange. »Was für eine wundervolle Überraschung!«
    »Ich störe hoffentlich nicht?«
    »Natürlich nicht. Ich mache eine Bouillabaisse.«
    »Hast du einen Teller für mich übrig?« fragte Michael, der schon beim Gedanken daran Sodbrennen bekam.
    »Aber natürlich, Schätzchen«, gurrte Helen. »Geh schon mal nach oben und trink einen Schluck mit Graham. Der Überfall in Heathrow hat ihn schrecklich aufgeregt. Gott, ist das eine gräßliche Sache gewesen!«
    »Ich weiß«, sagte Michael. »Ich bin leider dabeigewesen.«

    »Soll das ein Witz sein?« Helen betrachtete ihn genauer und sagte: »O nein, das ist kein Witz, nicht wahr, Michael? Du siehst schlimm aus, du Ärmster. Aber die Bouillabaisse hilft dir wieder auf die Beine.«
    Als Michael das Wohnzimmer betrat, sah Graham auf und sagte: »Na, wenn das nicht der Held von Heathrow ist.« Er legte den Evening Standard weg, dessen Schlagzeile vermeldete: TERROR IN TERMINAL VIER!
    Auf dem Couchtisch stand ein Teller mit Brie und grober Landleberpastete neben einem großen Brotlaib. Graham hatte schon die Hälfte davon verschlungen. Michael schnitt sich etwas Käse und eine Scheibe Brot ab und betrachtete zweifelnd die Leberpastete.
    »Keine Angst, die habe ich am Sloane Square gekauft, Kumpel. Sie hat schon gedroht, Leberpastete selbst zu machen.
    Als nächstes verlegt sie sich aufs

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