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Der Maler

Der Maler

Titel: Der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Brotbacken, und dann bin ich erledigt.«
    Im Hintergrund kamen leise die BBC-Nachrichten aus Grahams guter deutscher Stereoanlage. Er besaß das absolute Gehör und hätte vermutlich Konzertpianist werden können, wenn der Dienst ihn nicht gekapert hätte. Sein Talent war im Lauf der Zeit wie eine nicht mehr benutzte Fremdsprache verkümmert. Er klimperte ein-, zweimal in der Woche auf seinem Steinway-Flügel herum, während Helen sein Dinner ermordete, und hörte Musik, die andere machten. Michael bekam mit, wie ein Augenzeuge den Mann im dunklen Anzug beschrieb, der einen Terroristen erschossen und einen weiteren außer Gefecht gesetzt hatte.
    »Ich muß Elizabeth anrufen, aber ich will nicht, daß die halbe Agency zuhört. Kann ich bei dir telefonieren?«
    Graham deutete auf das Telefon im Wohnzimmer.
    »Ich wäre gern ein bißchen ungestörter«, sagte Michael. »Was ich ihr erzählen muß, wird ihr nicht gefallen.«

    »Das Schlafzimmer ist im Flur geradeaus.«
    Michael setzte sich auf die Bettkante, nahm den Hörer ab und wählte. Elizabeth meldete sich nach dem ersten Klingeln. Sie war hörbar aufgeregt.
    »O Gott, Michael, wo hast du gesteckt? Ich habe mir solche Sorgen gemacht!«
    So hatte er das Gespräch nicht beginnen wollen. Er neigte instinktiv dazu, für alles die Agency verantwortlich zu machen, aber Elizabeth hatte längst die Geduld mit seinen Ausreden wegen der außergewöhnlichen Anforderungen seines Berufs verloren.
    »Wheaton hat mir erzählt, daß er mit dir gesprochen hat. Bis ich an ein Telefon gekommen bin, warst du schon nach New York unterwegs. Außerdem wollte ich ein Telefon benutzen, das nicht abgehört wird.«
    »Wo bist du jetzt?«
    »Bei Helen und Graham.«
    Elizabeth kannte die Seymours und mochte sie sehr. Als Graham vor zwei Jahren dienstlich in Washington gewesen war, hatten sie zu viert ein langes Wochenende in dem Haus auf Shelter Island verbracht. Helen hatte darauf bestanden, am Samstagabend zu kochen, und sie mit einem ungenießbaren Coq au vin fast vergiftet.
    »Warum bist du nicht auf dem Rückflug? Der Eingriff ist morgen früh um zehn. Ich brauche dich, Michael.«
    »Heute gibt's keine Flüge mehr. Ich schaff's einfach nicht, rechtzeitig zurückzukommen.«
    »Michael, du arbeitest für den amerikanischen Geheimdienst.
    Diese Leute können dir ein Flugzeug besorgen. Und sie werden es tun, wenn du ihnen erklärst, worum es geht.«
    »So einfach ist das nicht. Außerdem kostet das Zehntausende von Dollar. So viel geben sie nicht für mich aus.«

    Elizabeth atmete geräuschvoll aus. Michael hörte das Klicken ihres billigen Wegwerffeuerzeugs; sie machte eine Pause, um sich eine weitere Benson & Hedges anzuzünden.
    Sie wechselte abrupt das Thema. »Ich habe den ganzen Tag CNN gesehen«, sagte sie. »Die Reporter haben mit Augenzeugen gesprochen, die geschildert haben, wie ein Fluggast einen Terroristen kampfunfähig gemacht und einen zweiten mit der eigenen Waffe erschossen hat. Der Mann, den sie beschrieben haben, ist dir verdächtig ähnlich gewesen, Michael.«
    »Was hat Wheaton dir genau erzählt?«
    »Nein, nein, Michael. Ich gebe dir keine Gelegenheit, deine Aussage auf seine abzustimmen. Was ist passiert?«
    Michael erzählte es ihr.
    »Jesus! Konntest du nicht einfach in Deckung bleiben und das Ende abwarten, Michael? Du hast eine Show abziehen müssen! Den Helden spielen und dein Leben riskieren müssen!«
    »Ich habe nicht den Helden gespielt, Elizabeth. Ich habe nur reagiert. Ich habe getan, wofür ich ausgebildet bin, und damit vermutlich ein paar Menschen das Leben gerettet.«
    »Glückwunsch, Michael! Was soll ich jetzt tun?« Ihre Stimme bebte vor Erregung. »Aufstehen und klatschen, weil du mich beinahe zur Witwe gemacht hast?«
    »Ich habe dich nicht beinahe zur Witwe gemacht.«
    »Michael! Im Fernsehen hat ein Zeuge geschildert, daß einer der Terroristen auf deinen Kopf gezielt hat und daß es dir gelungen ist, ihn zu erschießen, bevor er dich erschießen konnte. Lüg mich nicht an, Michael!«
    »Ganz so dramatisch ist's nicht gewesen.«
    »Warum hast du ihn dann erschossen?«
    »Weil ich keine andere Wahl hatte.« Michael zögerte. »Und weil er den Tod verdient hatte. Leute wie ihn verfo lge ich seit zwanzig Jahren, aber ich habe nie Gelegenheit gehabt, sie in Aktion zu sehen. Heute habe ich sie selbst erlebt. Es ist schlimmer gewesen, als ich mir je hätte vorstellen können.«
    Er versuchte nicht bewußt, ihr Mitgefühl zu wecken, aber seine Worte

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