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Der Mammutfriedhof

Der Mammutfriedhof

Titel: Der Mammutfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans W. Wiener
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sehnig und muskulös. Seine Haut war tief gebräunt und wirkte dunkel. Dunkelbraune Haare, die ihm fast auf die Schulter hingen, wehten um sein scharf geschnittenes Gesicht. In dem breiten Ledergürtel seiner Kleidung steckte ein armlanges Schwert. Die Schneide dieses Schwertes war durchsichtig wie Glas und schien von innen heraus zu leuchten. Wenn es der Mann schwang, entstand ein Ton wie ein fernes Wehklagen.
    Die Erscheinung dieses Fremden hatte sich fest und unauslöschlich in die Erinnerung des hünenhaften Sasgen eingeprägt. Niemals würde er ihn vergessen. Er ballte die Hände so fest, dass sich die Nägel der Finger schmerzhaft in den Handflächen bohrten. Er starrte noch immer zurück, auch als ein leichter Dunst über dem Meer der Spinnen aufzog, alles einhüllte und die Kurnis mit ihren Passagieren längst nicht mehr zu sehen war.
    »Ich werde dich vernichten«, murmelte der Sasge.
    *
    Nur an den Stegen, die am weitesten ins Meer der Spinnen hinausragten, war das Wasser für die Kurnis tief genug. Mit einem gelungenen Manöver lenkte Nottr das Schiff an einen der Stege heran und legte an. Knirschend rieben sich Planken an den bleichen Knochenpfählen. Das rechteckige Segel mit der strahlenden Sonne und der Silhouette des Einhorns fiel rauschend in sich zusammen. Die Kurnis hatte die Pfahlstadt Urguth, ihr Ziel, erreicht.
    Eine unüberschaubare Menschenmenge hatte sich an der Landungsstelle eingefunden. Die Knochen und Schädelplatten ächzten und stöhnten unter dem Gewicht der Massen. Keiner der Bewohner Urguths hatte es sich nehmen lassen, die Befreier und Retter zu begrüßen.
    Noch immer hing dichter Rauch über der Stadt. Zwar waren fast alle Feuer gelöscht, doch die Knochen schwelten noch. Hinter der Kurnis ragten die Reste der acht verbrannten sasgischen Boote wie verkohlte Gerippe aus dem flachen Wasser. Ein deutliches Zeichen für die Niederlage der Angreifer.
    Die Bewohner Urguths jubelten und lachten, als die Besatzung des dandamarischen Schiffes von Bord ging. Sie drängten sich um die Ankömmlinge, und jeder der Fischer versuchte die Retter wenigstens kurz zu berühren. Mythor, Elivara, Kalathee und Sadagar konnten sich nur mit Mühe der Menge erwehren. Vor Begeisterung wurden sie fast ins Meer gedrückt.
    Lediglich Nottr machte der Ansturm nichts aus. Er stand fest wie ein Felsen mitten in der jubelnden Menge. Die Begrüßung der Fischer beantwortete er mit freundschaftlichem Schulterklopfen. Allerdings waren die Schläge mit solcher Kraft geführt, dass sich bald kaum noch einer der Einwohner in seine Nähe traute. Nottr lachte dröhnend. Er entblößte seine großen gelben Zähne und fühlte sich wie ein heimkehrender Feldherr nach erfolgreicher Schlacht.
    Von hinten drängte sich ein schlanker und hochgewachsener Mann durch die Menge nach vorn zu den Ankömmlingen. Er war mit einem einfachen braunen, sackähnlichen Gewand bekleidet, das in der Hüfte von einer Kette aus ringförmigen Knochen zusammengehalten wurde. In diesem Gürtel steckte ein einfacher Dolch mit einem Griff, der aus dem Stoßzahn eines Mammuts geschnitten war.
    Der Mann bewegte sich sicher und würdevoll durch die Menge, wie jemand, der es gewohnt ist, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Ehrerbietig wichen die Bewohner der Pfahlstadt vor ihm zurück und bildeten eine schmale Gasse, um ihn vorbeizulassen. Hinter ihm verstummte der überschäumende Jubel, auf dem Steg wurde es allmählich ruhiger.
    Mit einer leicht angedeuteten Verneigung seines Kopfes blieb der Mann schließlich vor der Besatzung der Kurnis stehen. Prüfend ließ er seinen scharfen Blick über die fünf Retter gleiten. Besonders die beiden Frauen, Elivara und Kalathee, sah er mit den Augen eines Mannes an, der weiß, wann er wirkliche Schönheit vor sich hat.
    »Ich begrüße euch im Namen der Stadt Urguth und danke euch für euren mutigen Einsatz«, begann der Mann schließlich. Er sprach mit einer tiefen, aber wohltönenden Stimme. »Ich bin der Fürst dieser Stadt, man nennt mich Jenersen.«
    Erneut brandete der Jubel der Einwohner auf. Die Leute klatschten in die Hände. Die hinteren sprangen in die Luft, um wenigstens einen kurzen Blick auf die Fremden zu erhaschen. Andere hoben ihre Kinder oder Frauen auf die Schulter und gestatteten ihnen so einen Blick über das wogende Meer der Köpfe.
    »Euer Eingreifen kam im letzten Augenblick«, fuhr Jenersen fort. »Es hat die Stadt und unser aller Leben gerettet. Ich weiß nicht, was es ist, das

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