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Der Mammutfriedhof

Der Mammutfriedhof

Titel: Der Mammutfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans W. Wiener
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herrschte ein furchtbarer Gestank. Es roch nach Tran und Moder. Der Geruch legte sich schwer auf Mythors Lungen, als er die niedrige Tür aufstieß und das Innere der Hütte betrat.
    Ein einziges Licht erhellte notdürftig das tiefe Dunkel. Die Lampe bestand aus einer knöchernen Schale, die mit einer öligen Flüssigkeit gefüllt war. In der Mitte befand sich ein Docht aus einem gedrehten Stück Stoff, der eine flackernde Flamme nährte. Ein Schauer durchfuhr Mythor, als er entdeckte, dass die Schale aus einem Schädel gefertigt war. Einem Menschenschädel.
    Riesige Schwärme von Fliegen und Käfern bevölkerten die geschwärzten Wände und den nackten Boden. Überall bewegte es sich, wimmelte und krabbelte. Schleimbedeckte Lurche und Schlangen lagen in den dunklen Ecken und starrten den nächtlichen Besucher aus großen schwarzen Augen an.
    Von Zeit zu Zeit verirrten sich Insekten in die Flamme der Lampe. Ihre transparenten Flügel und kleinen Panzer knackten hässlich, wenn sie verbrannten. Diese Geräusche und die regelmäßigen Atemzüge des schlafenden Mannes in der Mitte der Hütte waren die einzigen Laute.
    Der Mann lag auf dem Boden und hatte die angewinkelten Knie fest an die Brust gezogen. Sein Kopf ruhte auf dem linken Arm. Der Mann war barfuß. Sein dürrer, ausgemergelter Körper steckte in einem schlichten, dunkelbraunen Tuchkleid ohne Gürtel und ohne jegliche Verzierungen.
    Mythor schob die Lampe näher an den Schlafenden heran und betrachtete ihn. Es war unmöglich, das Alter des Mannes zu schätzen. Das Gesicht war grau und eingefallen, die blutleeren Lippen waren so dünn, dass der Mund wie ein schmaler Strich aussah. Das ganze Gesicht bestand fast nur aus Falten.
    Das schlohweiße Haar des Mannes war von silbrigen Strähnen durchzogen und zu einem langen Zopf geflochten, der bis auf die Hüfte reichen mochte. Jetzt lag er zusammengerollt wie eine Schlange neben seinem Kopf.
    Mythor fasste den Greis an der Schulter. Er erschrak, weil sich sein Körper so dünn und zerbrechlich anfühlte, als ob er nur aus hauchdünnen Knochen bestünde. Vorsichtig bewegte Mythor den Mann. Er fürchtete, dass er ihm unter den Händen zerbrechen könnte.
    »Sanderholm«, flüsterte Mythor. »Sanderholm, wach auf!« Allmählich ließ Mythor seine Stimme lauter werden und schüttelte den Schlafenden auch heftiger. Doch seine Bemühungen waren umsonst. Es war nicht möglich, den Greis aufzuwecken. Er veränderte weder seine Haltung, noch wurden die Atemzüge unregelmäßiger.
    Etwas Feuchtes, Kaltes kroch über Mythors Hand. Er zuckte zurück und sah einen fast armlangen schwarzen Lurch. Der breite Kopf des Tieres pendelte gemächlich hin und her. Eine klebrige, schleimige Masse klebte dort an Mythors Hand, wo ihn das Tier berührt hatte. Der Lurch richtete sich auf und öffnete den Mund. Ein Fauchen wie von einer Katze drang aus dem feuerroten Schlund. Es klang warnend und drohend.
    Noch einmal sprach Mythor den Schlafenden Fischer an, um ihn zu wecken, doch auch diesmal vergeblich. Der Mann schlief so tief und fest, wie kein Irdischer je geschlafen hat. Er schlief wie betäubt. Mythor sah ein, dass er in dieser Nacht nichts erreichen konnte. Er erhob sich und zog sich zur Tür zurück.
    Langsam und gemächlich kroch der Lurch wieder in seine dunkle Ecke.
    *
    Die Hände tauchten plötzlich aus der Dunkelheit auf und packten Mythor von allen Seiten. Sie rissen an seiner Kleidung, umklammerten seine Beine und pressten seinen Hals. Sie bogen ihm die Arme auf den Rücken und verdrehten die Handgelenke.
    Soweit es Mythor in der Dunkelheit erkennen konnte, wurde er von sechs Männern gleichzeitig angegriffen. Es mussten alles große, bärenstarke Kerle sein, denn ihre Umklammerungen und Griffe waren so hart und fest, als wären sie aus Eisen.
    Mythor bäumte sich auf. Er spannte seine Muskeln und versuchte seine Arme zu befreien. Zwei der Angreifer strauchelten und gingen zu Boden. Einen dritten bekam er an der Kleidung zu fassen. Er riss ihn näher zu sich heran und schlug ihm die geballte Faust gegen die Schläfe. Aufstöhnend sackte der Mann in sich zusammen.
    Die übrigen Angreifer waren von der heftigen Gegenwehr einen Augenblick überrascht. Wahrscheinlich hatten sie damit gerechnet, leichtes Spiel zu haben. Sie wichen einige Schritte zurück, um aus Mythors Reichweite zu kommen.
    Mythor knickte in den Knien ein, um einen festeren Stand zu haben. Er hob die linke Hand und ballte sie zur Faust. Die rechte legte er auf

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