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Der Mann auf dem Balkon

Der Mann auf dem Balkon

Titel: Der Mann auf dem Balkon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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dabei mußte man sich auf sein Glück verlassen, hatte einer der Reporter nach der Pressekonferenz am vergangenen Abend gesagt.
    Kollberg wußte, daß diese Schlußfolgerung falsch war. Wurde der Mörder ergriffen - und daß dies der Fall sein würde, war sicher -, so würde es wie Glück aussehen und von vielen als Zufall angesehen werden. Aber es galt, dem Glück nachzuhelfen, das Netz von Zufällen, in dem sich der Verbrecher schließlich verfangen würde, so feinmaschig wie möglich zu knüpfen. Und diese Aufgabe lastete auf ihm. Und auf Jedem anderen Polizeibeamten. Aber auf keinem Außenstehenden.
    Darum fuhr Kollberg nicht direkt nach Hause, obwohl er dies die ganze Zeit über vorgehabt hatte. Statt dessen fuhr er langsam in westlicher Richtung durch die Hornsgatan.
    Kollberg war Systematiker und außerdem der Meinung, daß das Vertrauen auf Glück keine Grundlage für polizeiliche Arbeit war. Er war zum Beispiel der Ansicht, daß Gunvald Larsson einen Fehler gemacht hatte, als er die Tür zum Zimmer des Räubers eingedrückt hatte, auch wenn sie alt und morsch gewesen war. Was wäre passiert wenn die Tür nicht beim ersten Versuch nachgegeben hätte? Eine Tür eindrücken hieß auf sein Glück vertrauen. So etwas lehnte er prinzipiell ab. In diesem Punkt waren er und Martin Beck zuweilen verschiedener Auffassung.
    Kollberg fuhr um den Mariatorget herum und beobachtete sorgfäl-tig die kleinen Gruppen von Kindern, die in den Anlagen und bei den Kiosken spielten. Er wußte, daß hier viele Schulkinder und andere Jugendliche zu treffen waren, die sich als Schleichhändler in der Rauschgiftbranche betätigten. Täglich wechselten hier bedeutende Mengen Haschisch, Marihuana, Preludin und LSD den Besitzer. Und die Käufer wurden jünger und jünger. Bald würden sie süchtig sein. Erst am Tag zuvor hatte er gehört, daß man zehn und elfjährigen Mädchen Spritzen angeboten hatte. Und die Polizei konnte nicht viel dagegen unternehmen, denn es fehlte einfach an den Mitteln, Und das Ganze wurde noch erschwert und dem Laster Vorschub geleistet, denn diese Tatsache wurde von den Massenmedien immer wieder an die große Glocke gehängt. Das gab Händlern und Verbrauchern ein Gefühl der Sicherheit, das in selbstgefälligen Prahlereien seinen Ausdruck fand. Im übrigen bezweifelte er, daß dies überhaupt eine Angelegenheit der Polizei sei. Der Grund für den Rauschgiftmißbrauch durch die Jugendlichen lag in einer falschen Philosophie, die durch das verfaulte System provoziert wurde. Folglich war es Pflicht und Schuldigkeit der Allgemeinheit, mit wirksamen und akzeptierbaren Argumenten ein Gegengewicht zu schaffen, das nicht auf Selbstgefälligkeit und dem Ruf nach noch mehr Polizei basierte. Kollberg hielt es auch für falsch, den Demonstranten auf dem Hötorget und vor dem US Trade Center mit Säbel und Gummiknüppel die Jacke vollzuhauen, obgleich er sehr wohl wußte, daß die Kollegen oft mehr oder weniger dazu gezwungen waren.
    Der Erste Kriminalassistent Lennart Kollberg dachte an all dies, während er die Rosenlundsgatan und die Sköldgatan entlangfuhr, vorbei an der Minigolfbahn am Tantolunden. Er parkte den Wagen und ging einen der Wege entlang, die hinauf in die Anlagen führten.
    E S begann zu dämmern, und der Park war völlig menschenleer, natürlich waren trotz allem noch einige Kinder draußen. Man konnte nicht alle Kinder einer Millionenstadt einsperren, nur weil ein Mörder frei herumlief. Kollberg stellte sich in eines der zahlreichen lichten Gebüsche und setzte den rechten Fuß auf einen Stubben. Von dieser Stelle aus konnte er die Schrebergärten und den Platz auf dem das tote Mädchen vor fünf Tagen gelegen hatte, überblicken.
    Er hatte keinen bestimmten Grund, sich gerade jetzt hier umzusehen. Vielleicht war er gekommen, weil dies der größte Park der Innenstadt war und außerdem an seinem Heimweg lag. In einiger Entfernung sah er ein Mädchen, ziemlich groß, vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt. Er stand still und wartete. Er wußte nicht worauf, vielleicht darauf, daß das Kind sich nach Hause trollen würde. Er war sehr müde. Und obendrein flimmerte es ihm vor den Augen.
    Kollberg war unbewaffnet. Obwohl die Zahl der Gangster ständig anstieg und die Gewaltverbrechen immer brutaler wurden, gehörte er zu denen, die sich für eine Entwaffnung der Polizei einsetzten; seit einiger Zeit trug er die Pistole nur im äußersten Notfall und auch dann meistens nur auf direkten Befehl.
    Auf dem

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