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Der Mann auf dem Balkon

Der Mann auf dem Balkon

Titel: Der Mann auf dem Balkon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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stopfte sich das letzte Stück seines Kopenhageners in den Mund und sah Martin Beck verwundert an »Ja, natürlich«, sagte Gunvald Larsson. »Dies verrückte alte Weib! Was ist mit ihr?«
    »Erinnerst du dich noch daran, wie sie das Aussehen des Kerls beschrieben hat?«
    »Nein, bestimmt nicht. Ich kann nicht alles behalten, was verrückte Leute sagen.«
    »Um was handelt es sich denn?« mischte sich Kollberg ein.
    Martin Beck winkte ab. «Denk mal nach, Gunvald, es kann wichtig sein.« Gunvald Larsson sah ihn mißtrauisch an. »Warum denn? Na schön, ich werde nachdenken.« Und nach einer Weile: »Nun habe ich nachgedacht. Nein, ich erinnere mich nicht daran. Ich glaube nicht, daß er irgendwie außergewöhnlich war. Der Kerl sah wohl ganz alltäglich aus.« Er bohrte mit dem Zeigefinger in der Nase und runzelte die Stirn. »Hatte er vielleicht den Hosenschlitz offen? Nein. Warte… es war das Hemd. Er hatte ein weißes Hemd an, das vorne offen war. Ja, genau das, nun weiß ich es wieder. Die Alte sagte, er habe blaugraue Augen, und ich wunderte mich noch darüber, wie schmal die Straße sein müßte. Und weißt du, was die Alte antwortete? Daß die Straße gar nicht so schmal sei, aber daß sie ihn durch ein Fernglas beobachtet habe. Nicht richtig im Kopf. Sie glotzt anderen Leuten in die Fenster. Eigentlich müßte sie eingesperrt werden. Dasitzen und Männer durch ein Fernglas beobachten.«
    »Um was geht es denn nun eigentlich?« fragte Kollberg erneut. »Das möchte ich auch gern wissen«, sagte Gunvald Larsson. »Warum ist das plötzlich so wichtig?« Martin Beck schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Ich mußte an diesen Kerl auf dem Balkon denken, weil Gunvald, als er die Beschreibung der alten Frau wiederholte, die gleiche Formulierung benutzte wie in dem Moment, als er Lundgrens Beschreibung des Mannes im Vanadislunden zusammenfaßte. Schütteres, nach hinten gekämmtes Haar. Große Nase. Mittelgroß. Weißes, offenstehendes Hemd. Braune Hosen, blaugraue Augen. Stimmt das nicht?«
    »Vielleicht«, sagte Gunvald Larsson, »ich erinnere mich wirklich nicht mehr daran. Bei Lundgrens Kerl stimmt es auf jeden Fall.«
    »Du meinst also, daß es dieselbe Person sein könnte?« fragte Kollberg zweifelnd.
    »Außergewöhnlich ist die Beschreibung ja nicht, finde ich.«
    Martin Beck zuckte die Schultern. »Nein, sie besagt natürlich nicht viel. Aber schon seitdem wir Lundgrens Beschreibung hörten, habe ich das Gefühl, daß ein Zusammenhang zwischen dem Mord und dem Mann auf dem Balkon bestehen könne. Ich bin nur erst heute richtig dahintergekommen.«
    Er strich sich übers Kinn und sah Kollberg verlegen an. »Es ist wirklich eine sehr weit hergeholte Annahme«, fuhr er fort. »Ich weiß. Aber vielleicht wäre es der Mühe wert, diesen Mann ausfindig zu machen.«
    Kollberg stand auf und ging ans Fenster. Stellte sich mit dem Rücken davor und kreuzte die Arme über der Brust. »Tja«, meinte er, »reichlich vage Vermutung.« Martin Beck sah noch immer Gunvald Larsson an.
    »Versuche bitte, dich an dieses Gespräch zu erinnern. Was hat die Frau alles gesagt?«
    Gunvald Larsson hob ein wenig hilflos die großen Hände. »Sie wollte nur von einem Kerl berichten, der auf dem gegenüberliegenden Balkon stand. Sie fand das merkwürdig,« »Warum fand sie es merkwürdig?«
    »Weil er fast ununterbrochen dort stand. Auch in der Nacht. Sie sagte, daß sie ihn durch ein Fernglas beobachtet hat. Daß er dastand und auf die Straße hinuntersah, auf die Autos und die Kinder, die unten spielten. Hinterher war sie beleidigt, weil ich nicht genügend Interesse zeigte. Weshalb aber sollte ich mich dafür interessieren?
    Jeder Mensch hat ja wohl das Recht, auf seinem Balkon zu stehen, ohne daß die Nachbarn gleich die Polizei anrufen. Was, zum Teufel, hätte ich tun sollen?« »Wo wohnt sie?« fragte Martin Beck.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Gunvald Larsson. »Ich bin mir noch nicht mal sicher, daß sie es überhaupt gesagt hat.« »Wie hieß die Frau?« warf Kollberg ein.
    »Keine Ahnung. Woher, zum Teufel, sollte ich das wissen?« »Hast du sie denn nicht nach ihrem Namen gefragt?« erkundigte sich Martin Beck.
    »Doch, das hab ich wohl. Das macht man ja immer.« »Erinnerst du dich nicht an ihren Namen? Denke nach«, forderte Kollberg ihn auf.
    Martin Beck und Kollberg beobachteten aufmerksam die sichtbaren Zeichen von Gunvald Larsson angestrengter Gedankenarbeit. Er hatte die hellen Brauen hochgezogen, so daß sie einen

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