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Der Mann auf dem Balkon

Der Mann auf dem Balkon

Titel: Der Mann auf dem Balkon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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Wulst über den blauen Augen bildeten, und war vor Anstrengung direkt rot im Gesicht geworden. Nach einer Weile sagte er: »Nein, ich erinnere mich nicht. Frau… ja, Frau Soundso.«
    »Hast du es denn nicht irgendwo aufgeschrieben?« drängte Martin Beck. »Du machst dir doch immer Notizen.«
    Larsson sah ihn groß an. »Ja«, antwortete er, »aber ich hebe nicht alle Notizen auf. Ich meine, wichtig war es nicht, eine wunderliche Alte, die angerufen hat. Warum sollte ich mich daran erinnern?«
    Kollberg seufzte. »Ja, ja, und was machen wir nun?«
    »Wann kommt Melander?« fragte Martin Beck.
    »Um drei, glaube ich. Er hatte Nachtdienst.«
    »Ruf ihn an und bitte ihn, sofort herzukommen», sagte Martin Beck. »Schlafen kann er ein andermal.«

23
    Melander war zu Hause und schlief. Er zog sich nach Kollbergs Anruf sofort an, fuhr die kurze Strecke bis zur Kungsholmsgatan mit seinem Wagen und traf eine Viertelstunde später bei den dreien ein, die auf ihn warteten.
    Er erinnerte sich an das Telefongespräch. Als sie den letzten Teil des Tonbandes vom Verhör des Rolf Evert Lundgren abgespielt hatten, bestätigte er, daß Martin Becks Theorie über die Personenbeschreibung stimmte. Dann bat er um eine Tasse Kaffee und stopfte sorgfältig seine Pfeife.
    Nachdem er sie angezündet hatte, lehnte er sich im Stuhl zurück und fragte: »Du glaubst also, daß da ein Zusammenhang bestehen könnte?«
    »Es ist nur eine Vermutung«, antwortete Martin Beck, »ein Beitrag zum Rätselraten.«
    »Da kann natürlich was dran sein«, meinte Melander. »Was soll ich nun dabei tun?«
    »Benutze den Computer, den du statt eines Gehirns hast«, bat Kollberg. Melander nickte und zog weiterhin bedächtig an seiner Pfeife.
    Kollberg nannte ihn zuweilen »das lebende Elektronengehirn«, eine durchaus passende Bezeichnung. Melanders Erinnerungsvermögen war legendär in der Stockholmer Polizei.
    »Versuche, dich daran zu erinnern, was Gunvald sagte und tat, als er diesen Telefonanruf entgegennahm«, bat Martin Beck.
    »War das nicht an dem Tag, bevor Lennart hier ankam?« fragte Melander. »Laß mich sehen, am 2. Juni muß das gewesen sein. Ich saß im Zimmer drüben, und als Lennart kam, bin ich hierher umgezogen.«
    »Stimmt genau«, bestätigte Martin Beck, »und ich bin an dem Tag nach Motala gefahren. Ich war auf dem Weg zum Bahnhof und kam nur schnell rauf, um nach dem bewußten Hehler zu fragen.«
    »Larsson, ja. Der, der gestorben war.«
    Kollberg lehnte sich an das Fensterbrett und hörte zu. Er war schon oft dabeigewesen, wenn Melander die Abfolge eines Geschehens, das häufig bedeutend länger zurückgelegen hatte als dieses, rekapitulierte. Und manchmal hatte er gedacht, daß Melander dafür über eine Art sechsten Sinn verfügte.
    Melander hatte seine - wie Kollberg es nannte - Denkerpose eingenommen; er saß da, die Schultern gegen die Stuhllehne gestützt und die Beine weit von sich gestreckt, die Augen halb geschlossen, ruhig an seiner Pfeife saugend. Martin Beck stand wie üblich da - einen Arm auf den Aktenschrank gestützt.
    »Als ich hereinkam, standest du genauso da wie jetzt, und Gunvald saß auch da, wo er jetzt sitzt. Wir haben über diesen Hehler gesprochen, als das Telefon klingelte. Gunvald nahm ab. Er nannte seinen Namen und fragte nach ihrem, daran erinnere ich mich.«
    »Weißt du, ob er den Namen aufgeschrieben hat?« warf Martin Beck ein.
    »Doch, das hat er. Ich erinnere mich, daß er einen Kugelschreiber in der Hand hatte. Ja, er hat ihn sich bestimmt aufgeschrieben.«
    »Erinnerst du dich, ob er nach der Anschrift gefragt hat?«
    »Nein, ich glaube nicht. Aber vielleicht hat sie Name und Adresse in einem Zug gesagt.«
    Martin Beck sah Gunvald Larsson fragend an. Der zuckte nur die Schultern.
    »Ich erinnere mich jedenfalls an keine Anschrift«, sagte er. »Danach sagte Gunvald etwas über einen Kran«, fuhr Melander fort.
    »Ja, stimmt genau«, bestätigte Gunvald Larsson, »ich hatte sie so verstanden, daß ein Kran auf ihrem Balkon sei. Aber dann sagte sie, daß es ein Mann wäre und er stünde auf seinem Balkon. Ich dachte natürlich, er stünde auf ihrem. Weil sie doch die Polizei anrief.«
    »Und du hast sie gebeten, den Mann zu beschreiben, und dann hast du dir, daran erinnere ich mich ganz deutlich, als du ihre Angaben wiederholtest, Notizen gemacht.«
    »Okay«, sagte Gunvald Larsson, »aber wenn ich mir Notizen gemacht habe, was sicherlich stimmt, dann habe ich sie auf diesen Block hier geschrieben,

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