Der Mann auf dem Balkon
gesehen hat -wenn er überhaupt irgend jemand gesehen hat.«
»Wir wissen, daß es ein Mann ist.«
»Ja. Was wissen wir sonst noch?«
»Wir wissen, daß er nicht als Sittlichkeitsverbrecher registriert ist«
»Ja. Vorausgesetzt, daß niemand geschlampt oder etwas vergessen hat. So etwas ist schon vorgekommen.«
»Wir wissen ungefähr den Zeitpunkt, an dem die Morde begangen wurden. Der im Vanadislunden kurz nach sieben Uhr abends und der im Tanto zwischen zwei und drei Uhr nachmittags. Er arbeitet also nicht.«
»Was besagt das?«
Martin Beck antwortete nicht.
Kollberg beantwortete die Frage selbst: »Daß er arbeitslos ist, Ferien hat, krankgeschrieben ist, zufallig auf Besuch ist, unregelmäßige Arbeitszeiten hat, pensioniert ist, herumlungert oder… kurz gesagt alles und nichts.«
»Das ist richtig«, stimmte Martin Beck zu, »aber wir haben eine Vorstellung von seinem Verhalten.«
»Du meinst das Geschreibsel der Psychologen?«
»Ja.«
»Das sind auch nur Vermutungen, aber…« Kollberg schwieg einen Augenblick, ehe er fortfuhr: »… aber ich muß zugeben, daß Melander einen sehr verständlichen Auszug aus diesem Gutachten gemacht hat.«
»Ja.«
»Schön, was nun diese Frau mit dem Telefongespräch betrifft, so laß uns versuchen, sie zu finden. Und da wir ja, wie du so treffend hervorgehoben hast, irgendwo beginnen müssen und weil wir uns sowieso nur blind vorwärtstasten, können wir auch ebensogut annehmen, daß du recht hast. Wie willst du es gemacht haben?«
»Wir beginnen im 5. und im 9. Revier«, sagte Martin Beck. »Setz einige Leute ein, die alle Anderssons anrufen, und einige, die von Tür zu Tür gehen. Sämtliche Beamte in diesen Revieren sollen au den Namen achten. Vor allem in breiten Straßen, wo Häuser mit konen sind. Odegatan, Karlbergsvägen, Tegnergatan, Sveavägen un so weiter.«
»Okay«, sagte Kollberg.
Sie machten sich an die Arbeit.
Es war ein abscheulicher Montag. Der »Große Detektiv Öffentlichkeit«, der am Sonntag wenig aktiv gewesen war, zum Teil, weil viele Menschen die Stadt verlassen hatten, zum Teil auf Grund der beruhigenden Appelle in den Zeitungen und im Fernsehen, trat wieder voll in Aktion. Die Zentrale für Hinweise aus dem Publikum wurde überhäuft mit Gesprächen von Leuten, die glaubten, etwas zu wissen, von Verrückten, die sich selbst bezichtigten, und von Witzbolden, die nur anriefen, um die Polizei zu verulken. Parks und Grünanlagen wimmelten von Polizisten in Zivil: Dazu kam nun noch die Suche nach jemandem, der Andersson hieß.
Und die ganze Nacht hindurch lauerte die Angst im Hintergrund. Viele Eltern riefen bereits bei der Polizei an, wenn das Kind mehr als fünfzehn oder zwanzig Minuten von zu Hause weg war. Alles mußte notiert und verglichen werden. Das Material wuchs und wuchs. Und blieb in allen Fällen gleich wertlos. Mitten darin rief Hansson vom 5. Revier an.
»Hast du wieder eine Leiche gefunden?« fragte Martin Beck.
»Nein, aber ich bin so unruhig wegen diesem Eriksson, auf den wir ein Auge haben sollen. Der Exhibitionist, den ihr festgenommen hattet.«
»Warum?«
»Er ist seit Mittwoch nicht zum Vorschein gekommen. Mittwoch hat er sich in verschiedenen Spirituosengeschäften mit Alkohol eingedeckt.«
»Und was dann?«
»Dann hat er noch ab und zu aus dem Fenster gesehen, soll wie ein Geist ausgesehen haben, sagen die Jungens. Aber seit gestern morgen hat ihn keiner mehr zu Gesicht bekommen.«
»Habt ihr an seiner Wohnungstür geklopft?«
»Ja, aber er macht nicht auf.«
Martin Beck hatte den Mann fast vergessen. Nun erinnerte er sich an den verstörten, unglücklichen Blick, die zitternden, ausgemergelten Hände. Er fühlte, daß es ihm kalt über den Rücken kroch.
»Verschafft euch Zutritt«, ordnete er an.
»Wie?«
»Mir gleich.«
Er legte auf und blieb sitzen, den Kopf in die Hände gestützt. Nein, dachte er, nicht auch noch das zu allem Elend. Nach einer halben Stunde rief Hansson wieder an.
»Er hatte den Gashahn aufgedreht.« »Und?«
»Ist unterwegs ins Krankenhaus, lebend.«
Martin Beck seufzte auf - erleichtert nannte man es wohl.
»Mit knapper Not«, berichtete Hansson. »Er hatte es sehr ordentlich gemacht. Die Türspalten verklebt und die Schlüssellöcher zugestopft, von der Wohnungs-, wie auch von der Küchentür.«
»Aber er wird durchkommen?«
»Ja, dank des Üblichen. Hatte nicht genug Geld eingeworfen. Aber hätte er noch eine Weile gelegen, dann…« Hansson schwieg, ohne den Satz zu
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