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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Der Skrakvinden kann mitten in der Nacht aufziehen, wenn sonst alles ruhig ist. Er kommt einfach wie ein großer schwarzer Schatten über das Wasser. Und die alten Schiffer behaupten, er könne ein Schiff in weniger als einer Minute kentern lassen. Deshalb versuchen die Schiffer möglichst immer hinter einer Landzunge zu ankern.
    – Und der Blärran?
    – Über den Blärran möchte ich nicht so gern reden. Es ist tatsächlich besser, wenn man nicht über ihn spricht, als wenn man über ihn spricht.
    – Wenn das die Färna II ist – was ist dann eigentlich mit der Färna I passiert?
    Der Schiffer, der die Mädchen offenbar erst jetzt entdeckt hatte, antwortete überraschend anstelle des Mädchens. Etwas zögernd, als müsse er nachdenken. Und ohne den Mast zu verlassen, an dem er sich die ganze Zeit hinter seinem Rücken festzuhalten schien. Vielleicht war er wirklich an den Mast gefesselt?
    – Bist du ganz sicher, dass du wissen willst, was geschehen ist?
    Irene war erstaunt, dass er ihre Frage aus so großer Entfernung gehört hatte. Der Schiffer mochte alt sein, aber sein Gehör war offenbar noch intakt. Das war das mindeste, was man sagen konnte. Sie stand ja mit dem fremden Mädchen unter den Bäumen am Kai, und der Schiffer mindestens zwanzig Meter weit entfernt auf seinem Deck. Er musste ein ungewöhnlich gutes Gehör haben. Was mochte es sein, worauf er lauschte?
    – Im Åmänningen gibt es eine ganz kleine Insel, die vor den Gran-Inseln liegt, begann der Schiffer seine Erzählung. Sie ist bei den Kanalschiffern bekannt. Die Sommergäste kommen da nicht hin. Man muss sich davor in Acht nehmen, zu nahe heranzusegeln. Dort gibt es einen sehr langgestreckten Unterwasserbau, der nach Westen verläuft. Eine Steinmauer unter Wasser. Aber keine gewöhnliche Mauer. Sie hat Arme, Ausläufer in verschiedenen Richtungen, als wäre sie ein Spinnennetz.
    Und noch weiter westlich liegt dieses Bo Gryta, das merkwürdige tiefe Loch, das angeblich keinen Boden hat. Niemand, der dort gelotet hat, ist je auf Grund gestoßen. Und man erzählt seltsame Geschichten von Lotleinen, ja, sogar von Ketten, die abgetrennt waren, als man sie wieder an die Oberfläche zog. Genauso sauber gekappt wie mit einem scharfen Messer oder mit der glänzenden Schnittfläche einer Blechschere. Solche Sachen kommen hoch. An die Oberfläche. Bo Gryta liegt ein paar Kilometer nördlich vom Ryssgraven. Vom Boda-Hafen aus gesehen.
    Wisst ihr nicht einmal, was der Boda-Hafen ist? Das wissen doch alle Menschen! Ein sehr alter Steinquader, der unterhalb des Dorfs Bodarna bis weit ins Wasser hineinreicht. Ein Pier, von dem eigentlich niemand weiß, wozu er dienen sollte. Und ein paar Kilometer weiter südlich liegt der Ryssgraven. Er heißt nach den russischen Kriegsgefangenen aus der Zeit Karls XII., sie sollten die steinernen Molen bauen, dort, wo der See im Süden in den Fluss mündet.
    – Was ist mit ihnen passiert?, fragte Irene.
    – Mit wem?
    – Mit den Russen.
    – Sie sind gestorben. Was hätten sie sonst tun sollen? Alle Menschen sterben. Das weißt du doch wohl?
    – Aber woran sind sie gestorben?
    – Am Schüttelfrost. Alle miteinander. Das ist alles lange her. Es war die Zeit der Fiebermücken. Die Russen liegen nun dort begraben. Sie kommen nie mehr weg. Und nicht weit entfernt davon ist das allen Seefahrern bekannte tiefe Loch. Bo Gryta.

Der Kanalfrachter
Färna I

    – D a unten in der Tiefe liegt also die Färna I . Könnt ihr euch das vorstellen?
    Mit zweieinhalb Tonnen erstklassigem Roheisen aus den Hüttenwerken von Trummelsberg und Färna und meiner alten Silberuhr an Bord. Es war ein Gewitterschauer, der so schnell kam, dass ich es nicht mehr schaffte, Großvaters alte Uhr einzustecken, die da über der Pritsche am Haken hing.
    Wenn ein Erzfrachter sinkt, sinkt er schnell. Das könnt ihr mir glauben. Wer das niemals gesehen hat, dem fällt es nicht leicht, es sich vorzustellen.
    – Wer das noch nie gesehen hat, korrigierte Irene aufmüpfig.
    Der Schiffer fuhr fort, als hätte er sie nicht gehört:
    – Es brodelt nur um diese Stelle herum, und herauf kommen möglicherweise ein paar Kleinigkeiten, die jemand an Deck vergessen hat. Platting-Matten, wie sie der Bootsmann an warmen und stillen Tagen zu flechten pflegt, wenn auf dem halben See Flaute herrscht und die Windstöße im Verlauf des Nachmittags auf der anderen Hälfte immer seltener und schwächer werden. Eine solche Matte war das einzige, was an die Oberfläche trieb.

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