Der Mann auf dem blauen Fahrrad
gesagt haben sollte. Er verschwand. Ich glaube, er hatte das Gefühl, nirgendwo richtig hinzugehören. Als Gymnasiast war er kränklich, oft zu Hause. Er durfte nicht an den Schlittschuhausflügen im Winter teilnehmen und im Sommer auch nicht an den Ausflügen mit Papas Segelboot. Ich glaube, er wollte gern so sein wie alle anderen.
Können Sie sich vorstellen, dass er sich in einem der frühen Gedichte als jemand beschreibt, dem kein eigenes Schicksal zuteilwurde. Ist das nicht recht merkwürdig? Vielleicht ist er deshalb verschwunden? Hat er möglicherweise auf einem Schiff im Hafen von Västerås angeheuert? Und ist weit, weit fortgesegelt – zu anderen Ländern, anderen Kontinenten? Vielleicht ist er im brasilianischen Urwald gelandet, in Mato Grosso? Oder er ist einfach in der Mälar-Bucht hier unterhalb des Hauses ertrunken? Eines Tages war er ganz einfach weg. Niemand weiß, was ihm eigentlich zugestoßen ist.
Sein Porträt, also das von Oswald Grane, steht dahinten auf dem Flügel. Wenn Sie ihn stimmen wollen, müssen wir alles wegräumen, was darauf steht.
– Aber ich bin, wie ich vielleicht schon erwähnt habe, kein Klavierstimmer. Ich bin überhaupt nicht zu diesem Zweck hergekommen. Ich bin auch nicht blind.
– Entschuldigung, das hatte ich schon vergessen. Wie dumm von mir! Aber Sie müssen verstehen … in diesen Tagen … wenn ein Familienmitglied wie meine Großmutter nach menschlichem Ermessen so nahe vor dem Ende steht …
– Ich verstehe. Mein herzliches Beileid. Hätte ich das geahnt, hätte ich die Küche natürlich nicht betreten. Aber ich wollte nur um Hilfe bitten. Mein Fahrrad ist etwas zu tief in den Straßengraben gerutscht. Und dann waren da die Hunde.
– Lindéns Dackel sind furchtbar. Sie sollten nicht so frei herumlaufen dürfen. Ich habe mit ihm gesprochen. Und ich werde es wieder tun.
– Also bin ich eingetreten. Und man gab mir Gelegenheit, meine Hände und Ellbogen zu waschen. Aber ehrlich gesagt schmerzen sie immer noch.
Die Stille im Raum war für einen Moment fast greifbar.
– Ist es nicht eine ungewöhnliche Jahreszeit, um in der Landschaft herumzuradeln? Tut man so etwas nicht eher im Mai oder im Juni?
– Ich bin eigentlich Fotograf. Für Reportagen und künstlerische Fotografie.
– Dann werden Sie die Bilder zu schätzen wissen, die es hier gibt. Oswald Grane war schon früh unterwegs. Als Fotograf. Er hatte ein intensives Verhältnis zur Landschaft. Aber er radelte nicht. Er saß oft unten am Borgåsund und schaute die Kanalboote an. Er wäre sicher gern mit einem der alten Segelfrachtschiffe mitgefahren, der Färna I oder der Färna II , und dann später mit dem Passagierschiff Bore , als dieses lächerlich kleine Dampfschiff durch das Flachland kam, durch die Sümpfe und Wälder bis hinauf zum See Barken. Um dann den Zug nach Hause zu nehmen.
Als Junge träumte er sicher davon. Aber ich weiß nicht, ob etwas daraus wurde. Seltsamerweise hielt er sich, solange er noch da war, stets hier auf, im südlichen Teil der Landschaft mit den Eichenwäldchen und den Mälar-Buchten. Die Waldgebiete erschreckten ihn, glaube ich. Er hatte etwas dagegen. Es herrschte ja Krieg in all den Jahren, in denen seine Generation hätte reisen und die Welt kennenlernen sollen. Die einzige Reise, die er unternahm, ging nach England. Er liebte Cornwell und Dorset. Die kleinen Orte entlang der Küste hinterließen Spuren in seiner Poesie. Seine poetischen Vorbilder waren englische Dichter. Die deutschen und französischen waren ihm fremd. Aber vielleicht hat er ja dann später eine große Reise unternommen. Im Hafen von Västerås liefen manchmal Dreimaster ein, Schiffe, die nach Göteborg oder Rotterdam oder Glasgow fuhren und sich gleichsam nur in den Mälaren verirrten, um eine bestimmte Ladung zu holen oder zu löschen.
Aber was rede ich da! Es ist nur so, dass ich selten jemand treffe, der sich für Oswald interessiert. Und für seine Poesie. Wie gesagt und wie auch immer: Er hat viel fotografiert. Hier liegt ein Album.
– Ich habe mir tatsächlich erlaubt, ein bisschen darin zu blättern. Es sind sehr interessante Bilder.
– Viele Negative sind leider verschwunden. Bei einem Brand.
– Wie schade. Hier im Haus?
– Nein, in einem Fotogeschäft in Sörstafors, wo sie gerade lagen. Und Sie sind also unterwegs, Herr Friberg, um den ersten richtigen Herbststurm zu fotografieren?
– Nun ja, nicht richtig. Nicht nur.
– Diese sonderbare Tasche, die in der Halle steht?
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