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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Das einzige, was von der Färna I heraufkam. Sonst nichts. Ihr müsst wissen, dass diese Erzfrachter sich nicht bergen lassen. Sie liegen zu schwer da unten auf dem Boden, vollbeladen mit Erz oder Roheisen. Ganz egal, ob es zehn Meter hinunter bis zum Wrack sind oder es so tief unten liegt wie die Domtürme in Västerås hoch sind.
    – War das dieser Skrakvinden? Oder wie er nun hieß.
    – Skrakan? Nein, das glaube ich nicht. Es war bestimmt ein gewöhnlicher Gewitterschauer. Wir konnten die Segel nicht mehr reffen. Es war ein Gaffelsegel. Wisst ihr, der Skrakan, das ist etwas viel Schlimmeres. Darüber möchte ich lieber nicht reden.
    – Und wie hat der Onkel sich gerettet?
    – Auch darüber spreche ich lieber nicht. Diese Insel, fuhr der Onkel fort, der immer noch mit dem Rücken zum Mast stand, auf eine Art, die verkrampft wirkte – wovor hatte er Angst? –, diese Insel ist sehr klein. Die Bauern nennen sie Enträ, aber das ist nicht ihr richtiger Name. Enträ wird sie genannt, weil dort viele Jahre nur ein einziger Baum stand. Aber das ist lange her. Jetzt gibt es dort fünf Bäume. So war es, als ich sie letztes Mal gezählt habe. Und Kreuzottern. Eigentlich hat die Insel einen anderen Namen.
    – Und der wäre?
    – Das ist lange her.
    Er sagte es mit einem Seufzer. Als wäre es etwas Bedauernswertes.
    – Jetzt gibt es sicher mehrere. Die Leute finden neue Namen.
    – Aber wie heißt die Insel wirklich?, wollte Irene wissen.
    – Das musst du mich nicht fragen. Wenn du fragst, weiß ich es nicht.
    – Und wenn ich nicht frage?
    – Dann weiß ich es natürlich.
    Diese Insel ist tatsächlich gefährlich. Sie hat ein Geheimnis. Das dort lauert. Es war oft die Rede davon. Vielleicht seit hundert Jahren. Oder mehr. Ich habe mich immer von ihr ferngehalten, weil ich vermutet habe, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Habe ich recht, und das habe ich eigentlich immer in solchen Dingen, ist es ein heidnischer Opferplatz. Oder ein Begräbnisplatz.
    – Oder vielleicht beides, schlug die Nichte vor, die ihrem Onkel lange kommentarlos zugehört hatte.
    – An manchen Herbsttagen, wenn ich vorbeigesegelt bin, kurz bevor es zu dunkel und gefährlich wurde, um auf dem See weiter nach Süden zu fahren, habe ich die Insel leuchten gesehen.
    – Leuchten?
    – Da war ein blauer, eigentümlicher Schein unter den Bäumen.
    – War es der Blärran?, fragte die Nichte. Ich nehme an, dass du von der Blärran sprichst, Onkel Sune?
    – Wenn du zuhörst, kannst du möglicherweise die Fortsetzung erfahren.
    – Ist wirklich alles wahr, was er erzählt?, flüsterte Irene der Nichte so diskret wie möglich zu.
    – Damit musst du schon rechnen. Leider. Mein Onkel ist ein sehr zuverlässiger Mann. Als die Dampfschiffe kamen, wollte er zeigen, dass er auch damit umgehen konnte. Einmal hat er drei Schleppkähne hintereinander durch die Fahrrinne mit den beiden Steinen in Sundbo bugsiert. Du musst dem schon trauen, was er sagt.
    – Aber jetzt hat er ja kein Dampfschiff. Jetzt segelt er wieder eine gaffelgetakelte Erzkogge.
    – Ja, er ist der letzte, der sie wirklich noch segeln kann. Glaube ich.
    Ein wenig überraschend löste sich der Schiffer jetzt vom Mast, mit einem Ruck, als hätte ihn dort etwas festgehalten, schnappte sich die Schnur der Schiffsglocke und schlug acht klare Schläge, die in der ganzen Gegend widerhallten. Es sah so aus, als hätte er den Befehl bekommen, genau das in diesem Moment zu tun.

Acht Schläge

    J an Viktor Friberg erwachte mit einem Ruck. Die offensichtlich sehr edle Standuhr im hintersten Teil des Raums schlug acht klare Schläge. Herrgott, dachte er. Wo in aller Welt ist die Zeit geblieben? Eben war doch noch Nachmittag! Warum hat mich denn niemand geweckt?, fragte er sich mit wachsender Unruhe. Es war bemerkenswert still da draußen in der Küche, die kürzlich noch so angefüllt gewesen war, nicht von Stimmen, sondern von Geräuschen: fließendes Wasser, brodelnde und überlaufende Töpfe, klapperndes Geschirr und klirrendes Silber. Jetzt schien es, als wären alle fortgegangen. Haben sie mich wirklich vergessen? Und wie zum Teufel soll ich den Zug erreichen? Das konnte man sich fragen.
    Er kam auf die Beine, durchquerte unruhig den Raum, öffnete vorsichtig die Tür und trat in die Halle hinaus. Sie lag genauso dunkel und verlassen da mit ihrem sonderbaren Schirmständer und ihren Jagdtrophäen, wie sie es die ganze Zeit über gewesen war. Er überlegte, ob er in die Küche schauen sollte, verwarf

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