Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
Vom Netzwerk:
dieser Typ ihn auf Teufel komm raus darüber ausfragen wollte, warum er hier war und was er über die Familie wusste. Was immer er auch sagte, konnte es ihm ja nur erschweren, das einzige zu bekommen, was er wollte: ein Auto, das ihn und sein Fahrrad zum Bahnhof von Kolbäck bringen könnte.
    – Ich gehöre leider nicht zu irgendeinem Kreis. Leider nicht. Ich kenne die Dame des Hauses erst seit einer halben Stunde, höchstens einer Stunde. Eine sehr feine Bekanntschaft, aber nichts, worauf ich Anspruch erheben könnte.
    – Aha, und Ihr Name war gleich noch?
    – Friberg. Jan V. Friberg. Von Electrolux in Västerås.
    – Und Sie warten auf meine Schwester, wenn ich es richtig verstanden habe?
    – Es ist so, dass ich einen Verkehrsunfall hatte. Ich habe die Kontrolle über mein zu schwer beladenes Fahrrad verloren und bin gestürzt. Und der Vorfall wurde dadurch verkompliziert, dass ich von einer verdammten Meute wütender kleiner Köter überfallen wurde …
    – Die Hunde von Förster Lindén!
    – Schrecklich, dass solche Tiere frei auf dem Weg herumlaufen dürfen.
    – Na ja. Es gibt Schlimmeres hier in der Gegend. Und außerdem kommt schließlich nicht jeden Tag jemand dahergeradelt. Den Milchkannentisch gibt es ja nicht mehr. Das habe ich schon festgestellt. Er ist vermodert und liegt im Straßengraben. Kühe hat es seit der Zeit meines Großvaters hier nicht mehr gegeben. Er war wohl der letzte richtige Bauer. Ich glaube, Lindéns Hunde haben sich tatsächlich daran gewöhnt, dass sie hier bestimmen. Ganz so war es nicht, als ich noch ein Junge war. Aber kurzum, es gibt Schlimmeres als Lindéns dumme kleine Dackel.
    – Und was wäre das?
    – Die Dänischen Doggen des Forstmeisters. Vor denen, wissen Sie, sollte man sich tatsächlich hüten sollte. Im Ernst!
    – Wirklich?
    – Sie sind imstande, Kleinkinder zu fressen. Die Frage ist, ob sie es nicht schon einmal getan haben.
    – Und der Forstmeister wohnt auch hier, wenn ich es richtig verstanden habe?
    – Nicht immer. Eigentlich ziemlich selten.
    – Was macht er sonst?
    – Er ist auf der Jagd.
    – Er ist also der Gatte der Freiherrin? Habe ich das richtig verstanden?
    – Nein, das haben Sie nicht.
    – Dann verstehe ich überhaupt nichts.
    – Das ist vielleicht ganz gut so. Dies hier ist kein gewöhnlicher Haushalt. Sie haben nicht alles richtig verstanden. Ehrlich gesagt ist das auch zu viel verlangt.
    – Aber ich habe kein Bedürfnis danach, zu verstehen. Was ich brauche, ist Hilfe. Gibt es möglicherweise jemanden hier im Haus, der sich aufraffen und dafür sorgen kann, dass ich von hier wegkomme?
    – Sie meinen, jemand sollte die Taxistation von Kolbäck anrufen?
    – Oder in Västerås. Es ist mir ja vollständig bewusst, dass Sie hier ein paar schwere Tage haben, aber …
    – Was meinen Sie mit schwer?
    – Mit der alten Dame.
    – Wieso?
    – Sie schien nicht mehr viel Zeit zu haben.
    – Nein. Das hat sie wohl nicht. Aus diesem Grund bin ich hier. Aber wenn Herr Friman …
    – Friberg.
    – Entschuldigung, Herr Friberg. Aber was ich sagen wollte, ist, dass es eine Weile dauern kann, falls Sie erwarten, dass meine Schwester die Initiative ergreift. Das Verhalten dieser Dame ist nicht besonders vorhersehbar.
    Es klang wie eine Warnung. Janne war nicht wohl dabei. Er fühlte sich immer verwirrter von diesen sonderbaren Menschen, einer schlimmer als der andere. Und vor allem von seiner eigenen Unfähigkeit, die Sache anzupacken und voranzubringen.
    – Frau … Fräulein …
    – Freiherrin.
    – Genau. Freiherrin Grane hat mich hier plaziert. Bis die Situation sich geklärt hat. Sozusagen.
    – Aber das klingt doch ganz ausgezeichnet. Eine gute Idee. Herr Friberg, Sie warten immer noch?
    Janne beschlich ein Gefühl der Unsicherheit. Versuchte dieser Herr ihn zu warnen? Wovor? Vor irgendeiner subtilen Bedrohung, die womöglich von seiner Schwester ausgehen könnte? Aber das war doch undenkbar? Ihre kühle Höflichkeit, ihre eng anliegenden Reithosen, ihre pedantisch aufgesteckten braunen Haare, ihre leise Altstimme und ihre Art zu reden, artikuliert, aber sehr leise, so dass man sich ständig bemühen musste, sie zu verstehen … Wenn dies hier ihr Bruder war, und es sah ja ganz so aus, dann waren sie wohl ziemlich unähnlich.
    Der Bruder unterbrach ihn ziemlich brutal in seinen Gedanken. Im Kopf war Janne damit beschäftigt, die schöne Frauengestalt aus dem Gedicht mit dem Erlebnis zu kombinieren, mit der vorerst vieldeutigen Begegnung

Weitere Kostenlose Bücher