Der Mann auf dem blauen Fahrrad
Geräusch der Treibriemen
oben unterm Dach
U nd was haben wir hinzuzufügen? Der Traum ist noch nicht zu Ende.
Die Treibriemen da oben unterm Dach waren die ganze Zeit deutlich hörbar gewesen. Mit ihren bedrohlichen Geräuschen.
Dies ist ein äußerst komplizierter Traum.
Die Treibriemen in Onkel Claes Klempnerei hatten Irene schon immer Angst gemacht. Als kleines Mädchen war sie vor Schreck erstarrt, wenn sie auch nur an dem langen, niedrigen Fabrikgebäude vorbeigehen sollte. Aber daran vorbeigehen musste man ja, wenn man zu den großen, freundlichen Zimtbirnenbäumen gelangen wollte, die zu dieser Frühlingszeit blühten, sich aber erst rund um den Namenstag von Lars, dem 10. August, mit den kleinen, braunroten Früchten füllen würden.
Aus der Werkstatt kamen die sonderbarsten Geräusche, ein regelmäßiges Pochen, als stünde da ein Troll und schlüge auf einen großen Zylinder, oder ein plötzliches Brüllen und Zischen, als wäre die Mutter des Trolls über das eine oder andere verärgert. Und dann die lauten Angstschreie, wenn die Schleifmaschine lief: Das arme Blech mochte es nicht, geschliffen zu werden. Daran bestand kein Zweifel. Wenn man zu einer der Türen schlich, was Mut und Entschlossenheit erforderte, konnte man die weiß leuchtenden Glutbetten sehen, wo das Blech weich gemacht werden musste, um es zu Dachrinnen und Sturzrohren biegen zu können. Und am schrecklichsten von allem: die Treibriemen.
Sie kamen vom Dach herab und landeten an scheinbar zufällig ausgewählten Stellen unten auf dem dunklen Werkstattboden. Es gab schreckliche Geschichten von Arbeitern, die in den Treibriemen hängen geblieben waren. Sie konnten mühelos einem Arbeiter den Arm abreißen, und der Arm würde auf den Boden fallen, nachdem er eine oder vielleicht mehrere Runden von dem erbarmungslosen Riemen mitgeschleift worden war. Es gab grauenhafte Erzählungen – oder vielleicht hatte Irene sich das selbst ausgedacht – von ganzen Köpfen, die von diesen dämonischen Riemen abgerissen worden und oben unter der Decke hängen geblieben waren. Und mit blutunterlaufenen, rasch erstarrenden, aber dennoch vorwurfsvollen Augen heruntergestiert hatten.
Ganz zu schweigen von all dem, was unvernünftigen Kindern zustoßen konnte, die sich spielend oder neugierig in die dunkle Gewalt der Treibriemen begeben hatten. Das Schrecklichste an diesen Riemen war, dachte Irene, dass sie keine Ahnung hatten, was sie taten oder was sie anrichteten. Sie konnten einem unvorsichtigen Arbeiter die Hand am Handgelenk abreißen. Sie konnten einen rotglühenden Barren hämmern, bis er dünn genug geworden war, um zu einer Wetterfahne auf der Kirche von Berg zu werden. Oder sie konnten Blech biegen und das Häuschen des Schleusenwärters da oben bei Trångfors davor bewahren, zu einem noch schimmligeren Rattennest zu werden, wenn der Herbstregen kam und über dem Kanal niederging. Wo alle weißen und mahagonifarbenen Lustjachten schon längst verschwunden waren und die Schiffer und ihre Bootsmänner auf den Erzkoggen über die im Sturzregen schwer zu öffnenden Schleusenluken fluchten.
Einst hatten alle Achsen und Treibriemen der Klempnerei ihre öde, unpersönliche Energie von einer Dampfmaschine bezogen. Ganz hinten im Garten, am Zaun zu den Orlanders, waren immer noch die Reste der Kesselmauer zu sehen. Der Dampfkessel, jetzt ein rostbraunes Monster, das zwischen den verwitternden gelben Ofenziegelsteinen hervorschimmerte, die in Höganäs gebrannt werden, war zu schwer, zu unhandlich, als dass jemand die Kraft gehabt hätte, ihn von dort wegzubringen. Wie eine zur Hälfte gefangene, mit den Jahren immer röter werdende Leuchtbake stand er da eingemauert und gab seltsame Laute von sich, wenn man mit einem Pfahl darauf schlug. Aber nach dem ersten dumpfen, tiefen Ton kam ein anderes Geräusch, ein Rascheln oder Tuscheln, als wohnte jemand ganz Kleines dadrinnen. Und wäre von dem Dröhnen geweckt oder unangenehm gestört worden.
– Unsinn, das ist nur ein alter Kesselstein, der sich an der Innenseite gelöst hat, weiter nichts, sagte Orlander, der auf der anderen Seite des Zauns stand, ständig Pfeife rauchend und mit einem maliziösen Lächeln in dem Mundwinkel, in dem nicht die Pfeife saß. Aber Irene war sich sicher. Dort drinnen hauste etwas Sonderbares.
Heutzutage bezogen die Riemen ihre Kraft von einem großen Elektromotor auf der anderen Seite des niedrigen Gebäudes. ASEA stand auf dem Gehäuse mit dem mächtigen Haken, der
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