Der Mann auf dem blauen Fahrrad
diesem Moment sehe ich nur die Sinnlosigkeit.
– Das kann sich ändern.
– Wollen wir es hoffen. Und dann habe ich ein Album mit sehr interessanten, sehr künstlerischen Fotos gefunden – irgendwo aufgenommen, hier oder anderswo, wie es scheint in den zwanziger Jahren. Außerdem – das will ich nicht vergessen – hatte ich ein sehr interessantes Gespräch.
– Wirklich? Mit wem? Mit Hilda draußen in der Küche? Oder vielleicht mit einem der Mädchen?
– Nein. Mit dem Bruder der Freiherrin. Wir hatten einen kleinen Schwatz.
Jetzt sah Frau Grane vollständig verblüfft aus. Tatsächlich war ihr Gestus der freundlich Plaudernden blitzschnell einer kalten und abweisenden Haltung gewichen. Jan Viktor fragte sich, ob er etwas Unpassendes gesagt hätte. Und falls ja, worin dieses Unpassende wohl bestand.
– Das ist aber unangenehm zu hören! Sehen Sie, ich hatte gehofft, dass er nicht im Haus herumläuft und mit allen möglichen Besuchern spricht. Es ist wirklich bedauernswert, dass er Sie gefunden hat. Ich versuche, ihn ein wenig unter Kontrolle zu halten, aber es gelingt nicht immer.
– Und wo liegt das Problem, wenn ich so neugierig sein darf?
– Er ist nicht zuverlässig. Er erfindet Sachen und hat ein reges Phantasieleben. Er ist unvorhersehbar. Kurz gesagt – kein geeigneter Repräsentant für dieses Haus.
– Ich versuche, Ihnen zu folgen. Aber das ist natürlich nicht ganz leicht, unvorbereitet, wie ich bin. Es war überhaupt nicht meine Absicht, in diese Familie hineinzustürmen. Ich wollte ja nur das neue, eigentlich revolutionierende Haushaltshilfsmittel demonstrieren. Und dann geschah dieses Unglück.
– Also beharren Sie immer noch darauf, Herr Friberg, dass Sie nichts mit diesem Ort zu tun haben? Sondern nur eine Maschine vorführen wollten? Die tatsächlich niemand braucht.
– Ja. Ich muss wohl darauf bestehen. Ich bin kein Spion. Kein Betrüger. Kein verkleideter Verwandter. Kein vergessener Erbe.
– Herr Friberg, Sie sind durchschaut.
– Das glaube ich nicht. Aber wenn Sie es unbedingt so sehen wollen …
– Ja. Sie sind durchschaut. Ich sehe Sie so, wie Sie sind.
Die Stimmung im Raum hatte sich verändert. Etwas schwebte darin wie ein schwacher, ersterbender Ton, ein sehr hoher Ton.
Die Kreuzworträtselmädchen
– H abt ihr euch deshalb als Kreuzworträtsel verkleidet?
– Hüttenwerksbesitzer Stenhake möchte gern, dass alle, die im Park und im Garten arbeiten, solche Kreuzworträtselkostüme tragen.
– Dann ist es vielleicht doch Reklame?
– Nicht direkt, erwiderte eines der Mädchen. Nein, ich glaube nicht. Ich glaube, er denkt sich, dass alle, die im Park und im Gewächshaus arbeiten, so aussehen sollen.
– Ist das nicht eine sonderbare Idee?
– Der Hüttenwerksbesitzer geht nicht besonders oft aus. Er hält sich da oben in seinem Haus auf. Eigentlich gibt es nicht sehr viele Leute, die ihn schon zu Gesicht bekommen haben.
– Aber wer kümmert sich dann um das Herrenhaus und das Hüttenwerk?
– Das Hüttenwerk leitet der Oberingenieur. Er sorgt dafür, dass alles seine Ordnung hat. Und um das Herrenhaus kümmert sich Irgendjemand.
– Kann sich wirklich irgend jemand darum kümmern?
– Ja. Das glaube ich. Irgendjemand kümmert sich schon immer darum, so lange ich mich zurückerinnern kann.
Ein kleingewachsener Mann kam den Pfad heruntergerutscht. Das Klappern eines reich bestückten Schlüsselbundes verriet ihn, lange bevor er die letzte Kurve genommen hatte. Seine Backen waren gerötet wie bei jemandem, der sich mehr im Freien als im Haus aufhält, und die Nase schien sich in einer Art beginnenden Zerfalls zu befinden. Aus ihrem Rücken traten bläuliche Karbunkel – oder wie man es nun nennen sollte – hervor.
– Wer ist das?
– Das ist nicht irgend jemand.
– Ist es vielleicht eine sehr wichtige Person? Es ist doch nicht etwa Stenhake persönlich? Kann er wirklich so aussehen?
– Nein, so sieht Hüttenwerksbesitzer Kåge Stenhake nicht aus. Das ist jemand ganz anderes. Ich sage nur, dass es nicht irgend jemand ist.
– Sie meint Irgendjemand, erläuterte das erste Kreuzworträtselmädchen. Das ist ja jemand ganz anderes. Irgendjemand hat gewöhnlich die Schlüssel. Aber heute ist es offenbar jemand anders.
– Die Schlussfolgerung, die ich widerwillig ziehen muss, sagte Irene betont überheblich, lautet, dass Irgendjemand nicht irgend jemand ist. Sondern eine Person. Wir haben es doch mit einem Eigennamen zu tun?
– Genau.
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