Der Mann auf dem blauen Fahrrad
Proportionen haben musste, die den Türen entsprach, kein gewöhnliches kleines Glöckchen, sondern eher etwas, was einer Zimbel glich, läutete einsam im Inneren. Es klang leer und bedrohlich. Irene fragte sich, ob sie vielleicht etwas diskreter hätte klingeln können.
Die Zimbelschläge waren die einzige Reaktion. Eine Ewigkeit – wie es gewöhnlich in Romanen heißt – schien zu vergehen. Irene machte einen Satz nach hinten: Direkt neben ihr öffnete sich eine ganz schmale, man könnte sagen, lächerlich schmale Tür, die sie vorher nicht bemerkt hatte.
Ein kleiner Mann in einem dunklen, knielangen Jackett mit Rockschößen und gestreiften Hosen, die in grauen Gamaschen über einem Paar blank polierter, aber winziger Schuhe steckten, musterte die Mädchen mit einer Miene tiefster Skepsis.
– Womit kann ich den Damen zu Diensten sein?
Für einen derart kleinen Mann war seine Stimme überraschend tief, als wäre sie ziemlich lange unterwegs gewesen. Vielleicht aus einem Brunnen oder einem Keller gekommen. Irene konnte einen Schauder nicht unterdrücken. Die Art von Schauder, der einen überfällt, lange bevor man erklären kann, woher er kam und wohin er wollte.
– Wir haben ein Anliegen an den Hüttenwerksbesitzer.
– Hüttenwerksbesitzer Stenhake ist zurzeit leider nicht anzutreffen. Er empfängt keinen Besuch. Wenn es die Damen interessiert, so ist es tatsächlich ungewöhnlich, dass Hüttenwerksbesitzer Kåge Besuch empfängt. Vor zweieinhalb Jahren geschah dies, als der Vorsitzende und der Kassierer des Industrieverbands vorgelassen wurden. Vor zwei Jahren war es dann die Schwiegermutter von Hüttenwerksbesitzer Stenhake. Und im gleichen Jahr gratulierte der Schwedische Schachverband zum Geburtstag. Im Jahr 1951. Hüttenwerksbesitzer Kåge ist nämlich sehr an Schach interessiert. Und unterstützt diesen vornehmen Sport. Der rasche Sport des Geistes, pflegt er zu sagen. Im Gegensatz zu dem des trägen Körpers, darf man vielleicht vermuten, wenn man es wagt, die Überlegungen und Reflexionen eines so tiefen Geistes zu deuten.
Der Schachverband war bemerkenswerterweise auch die einzige Reichsorganisation, die zum Geburtstag vorsprach. Eine Reihe anderer Personen und Vereinigungen – nicht zuletzt die philanthropischen Stiftungen – zog es vor, sich per Reichstelegramm zu melden. Oder postalisch. Und die Blumengestecke! Sie füllten ein ganzes Zimmer hier im Herrenhaus. Noch tagelang. Sie wurden von Boten gebracht. Einige Blumen kamen von anonymen Absendern, muss ich hinzufügen.
– Es ist also Irgendjemand, mit dem wir sprechen.
– Das kann man sagen. Gewiss kann man das so sagen. Bei genauerer Betrachtung. Mein Name ist zufällig Irgendjemand, aber deswegen bin ich natürlich nicht irgend jemand.
Aber ich stehe hier und schwatze. Wenn die Damen ein Anliegen von einigem Gewicht haben, können Sie es ruhig in meine Hände legen. Und ich versichere Ihnen, dass die Mitteilung, die Sie überbringen, Hüttenwerksbesitzer Kåge zu gegebener Zeit erreichen wird.
– Zu gegebener Zeit? Mir wurde aufgetragen, das so schnell wie möglich zu erledigen.
– Sobald er ansprechbar ist.
– Ist er das jetzt nicht?, fragte Irene mit einer höflichen Stimme, in der möglicherweise eine Spur von diskreter Ungeduld mitschwang.
– Also, es kann dauern. Im Moment schläft Hüttenwerksbesitzer Kåge. Er hält seinen Mittagsschlaf. Und ich muss hinzufügen, es ist nicht direkt ratsam, den Hüttenwerksbesitzer aus seinem Mittagsschlaf zu wecken. Aber wie gesagt, ich nehme gern eine Mitteilung entgegen.
– Es handelt sich weniger um eine Mitteilung, erklärte die Nichte des Schiffers. Es ist ein Päckchen. Ich weiß nicht, was es enthält. Aber ich glaube, es ist wichtig. Es ist von meinem Onkel. Dem früheren Kommandanten auf der Erzkogge Färna II .
Irgendjemand wurde plötzlich sehr ernst.
– Ich verstehe. Aber das ist ja dann etwas ganz anderes! Wenn es so ist, kann ich den Damen nur vorschlagen, diese Sache, was immer es sein mag, dem Hüttenwerksbesitzer Kåge persönlich zu übergeben. Es gibt nur einen Haken.
– Und der wäre?, fragte die Nichte des Schiffers.
– Falls Sie ihn schlafend antreffen, was höchstwahrscheinlich der Fall ist, muss ich Sie ernstlich davor warnen, ihn zu wecken.
– Warum denn?
– Weil er möglicherweise träumt.
– Ja, was würde das bedeuten?
– Nun, es könnte ja sein, dass er Sie träumt.
– Na und?
– Dann ist Schluss. Ganz einfach Schluss.
– Es
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