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Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Der Mann auf dem blauen Fahrrad

Titel: Der Mann auf dem blauen Fahrrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Artischocken abschneiden. Die wachsen dort oben auf dem Hügel. Sie werden in Gewächshäusern gezogen. Sonst könnte man so früh im Jahr keine Artischocken ernten.
    – Das wäre schwer, fügte das andere Mädchen hinzu. Aber möglicherweise ließe es sich machen.
    – Wie denn?
    – Mit allen möglichen magischen Mitteln.

Ein kniffliger Tonartwechsel:
D-Dur zu c-Moll

    J an Viktor Friberg erwachte in kalten Schweiß gebadet. Er hatte das Gefühl, als hätte er im Schlaf ziemlich hohes Fieber bekommen. Und als wäre es dann wieder verschwunden, auf der Suche nach einer ergiebigeren Beute.
    Das Aufwachen kam ziemlich brutal. Etwas musste geschehen sein, aber er konnte nicht sofort erkennen, was. Der Sessel, zwischen dessen breiten ledernen Armlehnen er sich in einer Art Fötusstellung zusammengekauert hatte, war nicht mehr bequem. Er fühlte sich unwohl in dieser Haltung, die er vorhin noch als so angenehm empfunden hatte. Vielleicht hatten seine eigenen, allzu lauten Schnarcher ihn geweckt? War das Feuer im Kachelofen erloschen? Was war geschehen? Das Haus schien plötzlich viel stiller. War die Alte gestorben? Warum war alles so still? Es konnte doch nicht schon Morgen sein?
    Von der Dame – er wusste nicht mehr genau, wie er sie sich vorstellen sollte, zog es aber vor, sie in seinen diffusen Gedanken die Dame zu nennen – gab es keine andere Spur als den winzigen Hauch eines Dufts nach Pferd und einem sehr herben Parfüm. Und – dachte er mit einem Schauder, der seinen ganzen Körper durchlief – nach Frau?
    Was spielte sich hier eigentlich ab? Vorsichtig befreite er sich aus dem Griff des Sessels und schlüpfte in seine Schuhe. Sie waren immer noch ziemlich feucht und hätten mit Zeitungspapier ausgestopft gehört. Aber woher sollte man das nehmen? Er sah keine Zeitungen, sondern musste seine wenig gemütlichen Schuhe so nehmen, wie sie waren. Überhaupt galt das offenbar für alles hier. Man musste die Dinge so nehmen, wie sie waren, und in der Reihenfolge, in der sie eintrafen.
    Er wollte den Weg wählen, auf dem er gekommen war. Das schien die einzig vernünftige Art, sich aus einer Situation zu befreien, die allmählich ziemlich festgefahren schien. Hinaus in die dunkle Halle, hinein in die Küche, wo das erforschte und kartierte Land für ihn endete. Seine Windjacke und seine Demonstrationstasche aus braunem Segeltuch mit zwei Handgriffen und Reißverschluss, in der das Electrolux-Haushaltsgerät Assistent steckte, müssten sich ja irgendwo da draußen finden. Zumindest konnte man das hoffen, wenn man noch irgendeine Hoffnung hatte.
    Als erstes war die Tür zur Halle ein Problem. Für einen Moment glaubte er, er wäre eingesperrt. Kurze Panik und dann die Entdeckung, dass der solide Messingknauf in die entgegengesetzte Richtung gedreht werden musste. Jan Viktor Friberg war diese vornehmen Messingknäufe nicht gewöhnt. Wo er sich üblicherweise bewegte, hatte man es mit weniger komplizierten Türklinken zu tun. Aus vernickeltem Material. Oder Klinken aus schwarzem Bakelit.
    Die Tür quietschte, als er die jetzt leere und dunkle Küche betrat. Nach einigem Tasten und Suchen fand er einen Lichtschalter, drückte darauf und staunte, welch bemerkenswerte Ordnung hier herrschte, wo es vorhin überall aus Töpfen und Schüsseln gedampft und gekocht und gezischt hatte. Doch nun war die große Küche völlig menschenleer und aufgeräumt. Wie eine stillgelegte Fabrik, dachte er. Wie ein altes Hüttenwerk oben in einer Waldsiedlung, vielleicht noch mit Spuren von Herden und Öfen, von Gebläsen und Wasserrädern und schweren Geräten im Gras.
    Der große Eichentisch in der Mitte, wo so viele Aktivitäten stattgefunden hatten – all das Hacken, Schälen, Putzen und Reiben –, war leer, sauber und still. Wie der Skanssjön an einem Sommermorgen.
    Er überlegte hin und her, was er tun sollte. Was war der nächste Zug? War er überhaupt derjenige, der am Zug war? Diese ganze Sache war wirklich im Begriff, sich in eine Schachpartie zu verwandeln. Statt die Gedanken auf das eigentliche Problem zu lenken, nämlich wie er von hier fortkommen sollte, wählte er mit instinktiver Sicherheit ein kleineres Problem: Wo konnten die Windjacke und die Demonstrationstasche geblieben sein? In der Halle waren sie nicht. Konnte sie jemand hier in der Küche abgestellt haben? Oder hatte man sie in den Salon gebracht?
    Er tat ein paar weitere zögernde Schritte zurück in das große Zimmer, und dabei vernahm er hinter sich ein sehr

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