Der Mann aus dem Dschungel
sein Frühstück verzehrte. "Lange nicht so gut wie Mc Muffin mit Ei, aber doch, gar nicht schlecht."
Sie streckte die Beine aus und machte es sich bequem. Er biss konzentriert in die Frucht in seiner Hand und schenkte ihr keine Beachtung. "Du liebe Güte, ich fühle mich wirklich grauenvoll", seufzte sie. "Ich trage doppelt so viel Klamotten wie du. Und ich bin nicht dazu geboren, mich durch den Dschungel zu schlagen. Natürlich, du hast mich stundenlang getragen, aber trotzdem fühle ich mich müde und zerschlagen.
Für ein heißes Bad, ein gutes Bett und einen Big Mac könnte ich glatt jemanden umbringen."
Ungerührt aß er weiter. "Du unterscheidest dich gar nicht so sehr von Richard, weißt du", plauderte sie weiter. "Auch er hat sich nicht dafür interessiert, was ich erzähle. Außer natürlich, wenn es um die Theorie der Stämme von Whachua ging. Habe ich dir erzählt, dass Richard und ich zum selben Forscherteam gehörten? Unglücklicherweise hat Richard noch nie im Leben einen originellen Gedanken gehabt. Deswegen musste er sich ein paar von mir ausleihen. Und ich, dumm wie ich war, fühlte mich geschmeichelt, dass ich zu seiner wissenschaftlichen Arbeit etwas beitragen konnte. Selbstverständlich ohne jeden Dank."
John hatte sein Frühstück beendet und beobachtete sie aufmerksam. Aus irgendeinem Grund konnte Libby ihr
munteres Geplauder nicht mehr stoppen. Die Stille zwischen ihnen war unerträglich für sie.
"Ich hätte es früher merken sollen, weil wir schlechten Sex hatten", quatschte sie. "Ich dachte, es würde besser werden, wenn wir mehr Übung hätten, aber nach dem dritten oder vierten Mal habe ich aufgegeben. Ich bin sowieso immer ganz unglücklich, wenn es dazu kommt. Wahrscheinlich bin ich einfach keine ausgesprochen sinnliche Person." Mit der Zunge leckte sie sich die restlichen Fruchtstückchen von den Lippen und seufzte zufrieden auf. Er starrte sie an. Sie lächelte.
"Und du verstehst kein Wort", sagte sie sichtlich erfreut.
"Wie gut. Es ist fast wie eine Therapie. Ich kann mir die innersten Geheimnisse von der Seele reden, und niemand außer mir wird je etwas davon erfahren."
Offenbar gänzlich unbeeindruckt von ihrem Geplauder stand er auf und wartete darauf, dass sie es ihm gleichtat. "Brechen wir auf?" fragte sie. "Sieht ganz so aus. Also gut, du zeigst uns den Weg, und ich erzähle dir inzwischen alles über meine Kindheit. Abgesehen vom sportlichen Aspekt muss diese Trekkingtour doch für irgendetwas gut sein. Anschließend kommen wir dann zu meiner neurotischen Pubertät, und am Ende sprechen wir über mein lausiges Sexleben. Und dann werde ich laut darüber nachdenken, wie du wohl dein Leben verbracht hast."
Er war bereits losmarschiert, aber als er ihre letzten Worte vernahm, drehte er sich erschrocken um. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie einen Funken Verständnis in seinen Augen entdeckt zu haben. So kurz, dass dieser Funke wieder verschwunden war, bevor es ihr gelingen konnte, ihn in seinem Auge zu entziffern.
"Ich komme", sagte sie und folgte ihm nach. "Aber du musst mir eine Frage beantworten."
Inzwischen hatte er sich bereits einige Schritte entfernt. Sie musste zusehen, dass sie nicht den Anschluss verlor. Eilig rannte sie ihm nach in das dichte Grün. Der Pfad war zu eng, um nebeneinander zu laufen. Sie hielt sich hinter ihm, während er die Zweige und das Gebüsch zur Seite schlug, um ihr den Weg zu bahnen.
"Natürlich musst du mir nicht antworten. Ich weiß, du wirst mir nicht antworten. Gerade habe ich mich gefragt, ob ich es mir nur einbilde oder ob du mich in der vergangenen Nacht wirklich geküsst hast?"
Wie erwartet bekam sie keine Antwort. Er führte sie stumm weiter und drang immer tiefer in den Dschungel ein. Und sie folgte ihm, versunken in die Erinnerung.
9. KAPITEL
Wenn John Bartholomew Hunter eines nicht ausstehen konnte, dann waren es Frauen, die ununterbrochen quasselten.
Und jetzt hastete er durch den Urwald mit einer Person, die um keinen Preis den Mund halten konnte. Es schien, als wollte sie ihrem scheinbar begriffsstutzigen Begleiter noch die intimsten Details ihres Lebens offenbaren. Aber es kam noch schlimmer John war sogar fasziniert. Fasziniert von den früh verstorbenen Eltern, die ihre kleine Tochter abgöttisch geliebt hatten, fasziniert von ihrer Zeit an der Universität, wo sie immer mindestens fünf Jahre jünger war als ihre Kommilitonen im selben Semester. Nie traf sie irgendwelche Verabredungen mit Männern, nie
Weitere Kostenlose Bücher