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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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ein Bein für mich auszureißen, und brachten mich widerspruchslos über den Fluss und zur 128 th Street, wo sie mich gegenüber dem Chinarestaurant rausließen.
    »Du solltest in ’ne bessere Gegend ziehen«, sagte Großmaul, als ich ausstieg.
    Eines musste ich noch versuchen in dieser Nacht. Ich dachte, scheiß drauf, das könnte das Einzige sein, was für mich bei dieser Sache herausspringt. Ich stand dort auf dem Bürgersteig und kehrte meine Hosentaschen nach außen.
    »Leck mich, warum hast du nichts gesagt?« Großmaul holte seine Brieftasche heraus und brachte die anderen im Auto dazu, das Gleiche zu tun. Er sammelte rund dreihundert Dollar ein, die er mir gab. Das schien ihm jedoch nicht genug zu sein, denn er stellte den Wagen ab und ließ alle zu der Bank an der Ecke marschieren.
    »Bis zu eurem Scheißhöchstbetrag, was der auch ist«, sagte er. »Habt ihr gehört? Euer absolutes Limit. Das ist das mindeste, was wir für den Kleinen tun können.«
    Zusammen konnten die vier noch mal tausend Dollar abheben.
    »Das ist nur ein Vorschuss, Kleiner. Warte, bis wir die Diamanten abgesetzt haben! Ich piep dich an, damit du dir deinen Anteil abholen kannst. Versprochen! Sobald wir das Geld haben, piep ich dich an.«
    Nach noch mehr Umarmungen und Händeschütteln und Trara stapelten sie sich wieder ins Auto und sausten davon.
    Als sie außer Sichtweite waren, überquerte ich die Straße und betrat das Restaurant. Ich bezahlte der Familie die zweihundert Dollar, die ich ihr für den Monat schuldete. Dann ging ich hinauf und feierte Silvester in meinem leeren Zimmer. Ich musste an meinen Onkel denken und fragte mich, was er dort oben in Michigan wohl gerade machte. War bestimmt viel Betrieb heute Nacht, und er verkaufte jede Menge Sekt.
    Ich dachte an Amelia. Was sonst.
    Dann holte ich mein Papier und die Stifte heraus und begann zu zeichnen. Ich übertrug meinen ganzen Tag auf die Seite, Bild für Bild, Panel für Panel, spielte alles noch einmal für sie durch. Zeigte ihr, was ich erlebt hatte. Das tat ich beinahe jeden Tag, einfach nur, um bei Verstand zu bleiben und wegen des kleinen Hoffnungsschimmers, den es mir gab. Vielleicht würden diese Seiten ja eines Tages den Weg zu ihr finden, vielleicht würde sie die Geschichte lesen und verstehen, warum ich von ihr fortgehen musste.
    Während ich das letzte Einzelbild fertigzeichnete, sah ich mir das Ganze noch einmal an und fand es zum Schieflachen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich wahrscheinlich nie wieder etwas von ihnen hören würde. Ich meine, es gab schließlich keinen zwingenden Grund für sie, sich wegen meines Anteils bei mir zu melden, oder?
    Keine Amateure mehr, schwor ich mir. Nie wieder. Auch wenn du heute doch noch dreizehnhundert Flocken verdient hast.
    In Gedanken kehrte ich zu Amelia zurück, als ich das Licht ausmachte, in meinen Schlafsack auf dem kalten, staubigen Boden kroch und die Augen schloss. Ich hätte alles dafür gegeben, sie hier bei mir zu haben. Nur für eine Stunde. Ich hätte mein Leben dafür gegeben.
    Frohes neues Jahr, wünschte ich mir.
     
    Der gelbe Pager weckte mich am nächsten Morgen. Ich ging nach unten und benutzte das Münztelefon. Die Nummer, die ich wählte, war dieselbe wie am Vortag.
    »Hey, Kleiner«, sagte Großmaul. »Hoffe, ich hab dich nicht geweckt. Ist alles okay bei dir?«
    Ich wartete, bis ihm aufging, dass er keine Antwort kriegen würde.
    »Sorry, ich hab ’nen ziemlichen Kater. Kann nicht klar denken. Jedenfalls, würdest du noch mal zu dem Diner kommen? So bald wie möglich? Wir haben ein kleines Problem.«

[home]
    Kapitel fünf
    Michigan
1991 bis 1996
    N ach dem Überfall ging Onkel Lito los und kaufte sich eine Waffe. Es war eine Faustfeuerwaffe, aber sie unterschied sich sehr von der, die der Räuber benutzt hatte. Der Revolver des Räubers, der schimmernde, helle Stahl – er hatte nach einem dieser klassischen sechsschüssigen Revolver ausgesehen, wie man sie aus Western kennt. Onkel Litos Waffe dagegen war eine halbautomatische Pistole. Kein sich drehender Zylinder. Kein heller Stahl. Sie war matt und schwarz und wirkte irgendwie doppelt so tödlich.
    Er versteckte sie hinter der Kasse und glaubte, dass ich sie dort nie entdecken würde. Das hielt ungefähr fünf Minuten an. Er sprach nicht über die Waffe. Er sprach überhaupt nicht über irgendetwas, das mit dem Überfall zu tun hatte. Aber ich merkte, dass er daran dachte. Immer wenn er auffällig still

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