Der Mann aus dem Safe
komplizierter Safe?«, fragte Großmaul. »Kriegst du das hin?«
Ich schüttelte meine Hände aus und drehte lockernd meinen Hals, als würde ich gleich das Unmögliche versuchen. Ich zeigte auf meine Augen, dann in die eine Richtung durch die Tür. Wieder auf meine Augen, dann in die andere Richtung. Ihr zwei macht jetzt, dass ihr hier rauskommt, und passt auf.
Es widerstrebte ihnen offensichtlich zu gehen, aber ich blieb unnachgiebig. Bewegte keinen Muskel, bis sie verschwunden waren. Dann atmete ich aus.
Ich wandte mich wieder dem Safe zu und machte ihn auf. Darin lag ein schwarzer Samtbeutel. Genau wie im Film, genau wie man es sich vorstellt, Diamanten im Wert von einer Million Dollar zu finden, stimmt’s? Mit einem kleinen Kordelzug oben dran? Einfach perfekt.
Ich zog die Kordel auf und sah hinein. Zwanzig, vielleicht dreißig funkelnde Steine. Nicht ganz so viele, wie ich erwartet hatte, aber was wusste ich schon über Diamanten? Ich nahm ein paar heraus und dachte kurz daran, den einen oder anderen für mich zu behalten. Bis mir klarwurde, dass das dumm wäre. Ich würde nichts damit anfangen können und nur den Gesamterlös verringern. Also zog ich den Beutel wieder zu und legte ihn auf den Boden. Da ich ohnehin noch ein paar Minuten Zeit totschlagen musste, konnte ich mir derweil auch den Schließmechanismus ansehen, sagte ich mir. Ich drehte die Nummernscheibe ein paarmal, tat so, als wäre das Schloss versperrt, und versuchte, es zu öffnen. Ich stellte auf Parkposition und ermittelte drei Räder. Ziemlich standardmäßig bis jetzt. Anschließend setzte ich die Nummernscheibe zurück und ging die Ziffern durch, ertastete den Kontaktbereich. Er schien mir sehr klar definiert zu sein. Als ich zu dem ersten kurzen Kontakt kam, war er sofort zu spüren. Das war
kein
komplizierter Safe. Es tat mir fast leid, dass ich nicht dazu gekommen war, ihn zu knacken.
Na ja, was soll’s, dachte ich. Wenigstens kenne ich dieses Modell jetzt, für den Fall, dass es mir mal wieder begegnet. Im Übrigen bringt es nichts, länger zu brauchen als unbedingt notwendig. Sollen sie doch denken, dass du superschnell bist bei deinem Job.
Ich wischte die Nummernscheibe ab und schloss die Safetür. Dann hängte ich das Bild wieder auf. Als ich aus dem Arbeitszimmer kam, sah ich Großmaul an der Haustür stehen und aus dem kleinen Fenster dort stieren. Er ging fast durch die Decke, als ich ihm auf die Schulter tippte, erholte sich aber, sobald ich ihm den Beutel gab.
»Was? Willst du mich verarschen? Hast du ihn schon aufgekriegt?«
Er sah in den Beutel. Es schien ihm die Sprache zu verschlagen, vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben.
»Frohes neues Jahr«, sagte er dann. »Ein verflucht frohes neues Jahr!«
Wir sammelten alle ein und stiegen wieder ins Auto. Ich saß erneut auf dem Beifahrersitz. Als wir auf dem Expressway waren, legte ich Großmaul eine Hand auf den Arm und brachte ihn dazu, ein wenig vom Gas zu gehen. Alle waren gerade ziemlich überdreht, und ich wollte nicht, dass er uns auf der Rückfahrt noch umbrachte.
»Er hat’s geschafft!«, brüllte Großmaul zum dritten oder vierten Mal. »Wie lange hat er gebraucht, vier Minuten oder so? Fünf? Der Kleine ist ein verdammtes Genie!«
»Er ist Eis«, sagte der Ochse. »Das muss ich jetzt zugeben. Ich hatte zuerst meine Zweifel, aber der Junge ist cool wie ein verfluchter Eisblock.«
»Hey, mir fällt gerade was ein.« Großmaul sah mich an, statt auf die Straße zu gucken. »Als du allein da drin warst, hast du dir nicht zufällig ein paar von den Diamanten in die Tasche gesteckt, oder?«
»Ich könnte ihn durchsuchen«, sagte der Ochse. »Soll ich?«
»Nee, nee. Ich mein ja nur. Er soll mir bloß ins Gesicht sehen und mir sagen, dass er keine von den Steinen eingesteckt hat. Dann sind wir uns einig.«
Es wurde still im Auto. Alle starrten mich an. Ich hob beide Hände – was soll das, Jungs? Was erwartet ihr jetzt von mir?
Da fingen sie an zu lachen. Der kritische Moment war vorbei. Das Radio wurde eingeschaltet. Eine Flasche Schnaps ging herum. Ich lehnte ab. Großmaul fuhr immer wieder zu schnell, bis ich ihn mit der Hand am Arm daran erinnerte, langsamer zu machen. Wir hielten nicht in New Rochelle, um den Ochsen zu Hause abzusetzen. Er musste an diesem Abend bei seinen Jungs sein und feiern, bis die Sonne aufging.
Als wir zurück in New York City waren, deutete ich auf den Wegweiser zur Hamilton Bridge. Sie waren anscheinend bereit, sich
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