Der Mann aus Israel (German Edition)
Schläge meines erhitzten
Herzens begleiten mich. Das Bad ist leer. Er ist nicht da. Raffael hat sich aus
meiner Welt davongemacht.
Er ist weggegangen, denke ich, einfach weggegangen,
hinausgeschlichen, während ich auf dem Sofa in einen bewusstlosen Schlaf
gefallen war. Ich drehe den Strahl der Dusche auf kalt und lasse mir das Wasser
über das Gesicht prasseln, bis ich die Kälte nicht mehr aushalte. Alles, was Du
jetzt brauchst, Elisabeth, ist eisige Härte. Dann wirst Du die nächsten Stunden
überstehen. Im Flugzeug kannst Du dann heulen und wimmern, jetzt sei stark. Das
ist alles. Und das kannst du von Dir verlangen.
Während ich mir die Haare föhne, betrachte ich den
Totenkopf, der mir aus dem Spiegelbild entgegenschaut. Eingefallen und leer
liegen meine Augen in tiefen Höhlen, meine Haut ist grau, der Mund ein
farbloser Strich. So hässlich werde ich mein Zimmer nicht verlassen, denke ich
und beschließe, das Unglück zu übermalen. Ich massiere mein Gesicht und zwicke
so lange in mein Fleisch, bis es rot wird, lege Make-up und Rouge auf, verreibe
es vorsichtig, tusche die Wimpern, ziehe die Augenbrauen nach. Langsam sehe ich
wieder aus wie ich, fehlt nur noch ein knallroter Lippenstift. Ich lächle mir
zaghaft zu. Jetzt siehst Du aus wie ein geschminkter Totenkopf, Elisabeth.
Egal. Eigentlich ist von nun an alles egal.
Schnell werfe ich mein Sammelsurium von Gepäckstücken in den
Koffer, drücke ihn zu und stelle ihn vor die Türe, wo der Gepäckträger schon
wartet. „ Good morning, Madame.“ sagt er liebenswürdig. Im Gang klingt
gedämpfte Walzermusik. Wiener Blut, das tut gut, ist ein Traum wie ein
Schaum. Ich spüre, wie die Tränen meine Augen überschwemmen. War das
wirklich erst vor ein paar Tagen?
Ich zupfe an meinem Kragen, atme tief durch und fahre
hinunter in den Frühstücksraum.
„Ach, meine liebe Elisabeth“, begrüßt mich Frau Albertz mit
wackeliger Stimme. „ist das nicht fürchterlich, was passiert ist?“
Im ersten Moment erstarre ich vor Schrecken. Woher weiß sie
denn... Aber dann kehrt langsam die Erinnerung zurück. Natürlich. Sie meint die
Ermordung von Yitzhak Rabin. Ich kann nur nicken. Meine Stimme versagt ihren
Dienst.
„Nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen, meine Gute.“ sagt
ihr Mann zu mir und tätschelt meine Schulter.
„Ich setze mich da hinten hin“, antworte ich leise und deute
auf den Nebenraum. „ich muss zuerst ein wenig zu mir kommen und Kaffee
trinken.“
„Aber natürlich, gehen Sie nur.“ Sie winken mir beide
verständnisvoll nach.
Ich setze mich an einen kleinen Tisch und versuche mich auf
das Frühstück zu konzentrieren. Die Tasse zittert in meiner Hand. Ich bekomme
keinen Bissen hinunter. Mich ekelt vor den frischen Croissants, vor dem Geruch
nach warmer Butter und frischen Omeletten. Ob er wohl überhaupt noch kommt,
denke ich, wahrscheinlich hat er sich aus dem Staub gemacht. In meinen
Augenwinkeln sammelt sich Schleim, ich reibe meine Augen, kann meine Umgebung
nur verschwommen wahrnehmen.
Für einen Augenblick schließe ich die Augen. Als ich sie
wieder öffne, sehe ich, wie Raffael plötzlich den Speisesaal betritt. Mein Herz
steht für einen langen, einsamen Moment still. Unsere gemeinsamen Gäste
umringen ihn, reden auf ihn ein, streichen ihm über die Arme.
„Wie konnte denn nur so etwas passieren?“ höre ich.
„Raffael, Sie haben unser volles Mitgefühl. Eine abscheuliche Tat.“
„Wo ist Elisabeth?“ fragt er.
„Da hinten sitzt sie. Ganz alleine. Sie ist so
durcheinander. Sie liebt doch Ihr Land, als wäre es ihr eigenes.“ antwortet
Herr Rütimeier mit belegter Stimme.
Raffael kommt langsam auf mich zu. Er setzt sich an den
Tisch und nimmt behutsam meine Hand in seine. Sein Haar ist hell und glänzend,
der Blick aus seinen Augen schimmert wie gesiebtes Gold. Nichts erinnert an das
hässliche Tier der vergangenen Nacht.
„Das war nicht gut, Elisabeth“, sagt er mit tiefer Stimme.
„es tut mir unendlich leid.“ Ich schaue auf seinen Mund, während er spricht.
Seine Lippen sind weich, denke ich erstaunt, so weich und voll. „Willst Du mir
verzeihen?“
Ich kann nichts sagen, nur mit einem vagen Schulterzucken
antworten. Er streichelt mir die Hand und führt sie an seine warmen Lippen. Ich
spüre seinen Kuss wie eine sanftes Plätschern, das meinen Körper wunderbar
erwärmt.
Schnell ziehe ich meine Hand zurück und stehe auf. „Wir
müssen uns beeilen.“ sage ich heiser.
Khalil wartet schon am Bus. Er
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