Der Mann aus Israel (German Edition)
flüstert er heiser. Er lässt mich
plötzlich los, zieht seinen brünstigen Stachel mit einem Ruck aus mir heraus.
Ein brennend heißer Schmerz durchzuckt mich. „Ich tu Dir weh.“ wiederholt er
tonlos. Sein aufgequollenes Gesicht ist noch immer dicht über mir. Er stößt
sich von mir ab und rollt sich auf die Seite.
Es ist plötzlich ganz unheimlich still im Zimmer, ich liege
wie gelähmt, unfähig mich zu bewegen, zerstört und verwüstet. Von dem Mann, den
ich liebe. Geschändet, entwürdigt hat er mich, wie ein Beutestück. Zerrissen
hat er mich und vernichtet. Wie werde ich jemals wieder von diesem Bett
aufstehen können, denke ich verzweifelt, oder hinausgehen in den Sonnenschein.
Ich drehe meinen Kopf ein wenig, meine Glieder schmerzen von dem ungleichen
Kampf, wie gerädert fühlt sich mein Körper an. Ich stöhne ungehört.
Das bestürzende Gefühl von unendlicher Enttäuschung krallt
sich in mein Herz. Es will sich in Tränen entladen, ich unterdrücke mein
Schluchzen mit der letzten Kraft. Nur jetzt keinen Laut von Dir geben,
Elisabeth, rede ich auf mich ein, halte Dich ganz still, damit sich dieses
Schwein nicht Deiner Anwesenheit erinnert. Wenn er jetzt aufwacht, wird er sich
noch einmal auf Dich stürzen und Dir in seinem grenzenlosen Zorn den Tod in
Deine diamantene Höhle rammen.
Ich versuche langsam und ruhig Luft zu holen, damit sich
mein zitternder, verzerrter Körper entspannt. Eins, zwei, drei und ausatmen,
zähle ich stumm. Du musst Dich eisern auf den Atem konzentrieren, Elisabeth, an
nichts anderes denken. Du musst. Du musst. Werde Deiner Erregung Herr, das ist
jetzt das einzige, was zählt. Dann erst darfst Du mit Denken einsetzen. Ich verfolge
meinen Atem durch die Nase. Auf und ab. Hinein und heraus. Nur an nichts
anderes denken, rede ich ohne Pause auf mich ein. Du darfst an nichts anderes
denken. Nur atmen. Atmen.
Ich kann es beinahe nicht glauben, aber nach einer Weile im
gedankenleeren Raum geht mein Atem ruhiger. Vorsichtig hebe ich den Kopf und
blicke voller Angst an mir hinunter. Ich sehe kein Blut, keine Wunden, mein
Körper scheint unverletzt. Nur ein zerwühltes Bett zeugt noch von dem Grauen,
das mir geschah. Und neben mir liegt der große Leib des Mannes, der seinen Hass
an mir ausgetobt hat. Gleichmäßig röchelnd stößt er seinen Atem aus. Er ist
eingeschlafen.
Nichts wie weg von hier, denke ich voller Panik, und blicke
automatisch auf die Uhr. Es ist drei Uhr zwanzig. In vier Stunden klingelt der
Wecker. Ich werde es nicht riskieren, Raffael jetzt aufzuwecken. Soll er doch
ruhen. Er hat so viel Schuld auf sich geladen. Womöglich gelingt es ihm, sich
im Schlaf zu schälen, seinen Hass, der wie eine nagende Schlange sein Leben
zerstört, als dürre, abgestorbene Haut abzustreifen.
Leise steige ich aus dem Bett, gehe auf Zehenspitzen zur
Türe. Ich drücke die Klinke hinunter. Sie macht ein winziges schmatzendes
Geräusch. Um Gottes Willen, hoffentlich wacht er nicht auf, bete ich, ich habe
solche Angst vor ihm. Vorsichtig drehe ich den Kopf zum Bett, aber er schläft
tief und ruhig, sein Kopf ruht auf seinen feingliedrigen Händen. So gerne
möchte ich ihm über die Haare streichen. Was für ein wahnwitziger Wunsch, denke
ich. Vorsichtig rückwärtsgehend schleiche ich aus der Türe und werfe ihm einen
letzten Blick zu. Noch im Traum ist sein Glied erigiert. Erschrocken schließe
ich schnell die Tür.
Und wieder starre ich auf das goldene Jerusalem hinunter.
Meine Hände zittern, als ich mir eine Zigarette anzünden will. Wie oft bin ich
während der letzten Tage hier gestanden. In den unterschiedlichsten
Gemütsverfassungen, sehnsüchtig, glücklich, zweifelnd, zornig. Eine jede hatte ausschließlich
mit Raffael zu tun. Nichts ist von all diesen Gefühlen geblieben, ein wuchtiger
Keulenschlag hat meine Gefühle zerschmettert, meine Welt entgleisen lassen. Die
Stadt zu meinen Füssen war einziger Zeuge dieser Besessenheit, die mein Dasein
aus den Angeln gehoben hat und die nun enden muss.
Die Stadt ist immer noch dieselbe. Die Lichter tanzen
glitzernd im nächtlich lauen Wind. Du, geliebtes Jerusalem, wirst nie meine
Stadt sein können, er hat mir den Einlass verwehrt. Mit Gewalt. Sie haben
sich doch hoffentlich nicht mit ihm eingelassen. Otto Guttmanns Worte.
Jetzt weiß ich, was er meinte. Doch, schreie ich stumm hinüber ins
Äthiopierviertel zu Otto Guttmann, doch, ich habe mich mit ihm eingelassen.
Aber er hat meine Seele verbrannt und die
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