Der Mann aus Israel (German Edition)
ich
dazwischen.
„Mische Dich nicht ein“, faucht er mich an. „davon verstehst
Du nichts. Es geht um den Standard unserer Gesellschaft. Wir wollen den
europäischen halten, nicht den arabischen übernehmen. Das kapieren diese Araber
nicht. Sie haben keine Disziplin. Auch Dein geliebter Khalil nicht. Der braucht
eine harte Hand, sonst funktioniert er nicht. Ich werde ihn bei der Agentur
melden. So etwas darf nicht geduldet werden.“
„Du bist ein Rassist und ein Arschloch dazu“, jetzt schreie
ich auch. „und wenn du jetzt nicht sofort einsteigst und Deinen Mund hältst,
dann...“ Es fällt mir nichts ein, mit dem ich ihm drohen könnte. Aber da hat er
sich schon wieder in der Gewalt und lacht mich an. „Hast Du wirklich schmock gesagt, Arschloch? So ein Wort aus Deinem Mund? Khalil, hast du das
gehört? Die Frau Doktor Kulturträger hat schmock zu mir gesagt“. Er
amüsiert sich köstlich. Schmock ist wirklich ein ganz ordinäres
Schimpfwort, es ist mir einfach herausgerutscht. Ich wusste eigentlich gar
nicht, dass ich es kenne. Khalil lächelt zaghaft. Er traut der Sache wohl
nicht. Er hat gespürt, dass Raffael in seiner Wut genau das herausgebrüllt hat,
was er ehrlich meinte, nämlich, dass er auf ihn herunterschaut, ihn als
zweitrangigen Dummkopf einschätzt, als Araber eben.
Schlau wie er ist, rettet sich der Erzengel einfach in einen
Gegenangriff. Mein Kraftausdruck gibt ihm die Möglichkeit dazu. Ganz schön
fies, denke ich.
„ Schukran, schukran, chabibti, ich danke Dir, meine
Liebe.“ flüstert mir Khalil zu. Er ist richtig erschrocken. „Sorge Dich nicht.“
beruhige ich ihn. „Kein Mensch wird sich über Dich beschweren in der Agentur.
Du bist der beste Fahrer, den ich je hatte.“ Den letzten Satz sage ich ganz
laut. Was ist denn nur in den Erzengel gefahren, denke ich, hat er noch alle
Tassen im Schrank? „Wie steht es denn mit Deiner eigenen Disziplin, Herr
Obergruppenführer? Dein Auftritt gerade eben war steinzeitlicher Standard. Oder
gelten für Euch andere Regeln?“
Ich schaue um mich und sehe, dass die Gruppe von unserem
Streit nichts mitbekommen hat. Herr Dr. Nerwenka will sich eine Kamel-Karawane
aus geschnitztem Olivenholz kaufen. Die drei niedlichen Kamele, ein großes, ein
mittleres und ein putziges kleines, an den Schwänzen aneinander gekettet, geben
sicherlich ein reizendes Beiwerk zu Herrn Nervengas weihnachtlicher
Krippeninszenierung ab. Die Gäste sind so sehr damit beschäftigt, Herrn Nervengas
beim Herunterhandeln des sowieso schon geringen Preises zu unterstützen, dass
sie nicht Ohr noch Auge erübrigen können, für den nahöstlichen Zwischenfall in
unserer eigenen Reise-Karawane. Ist diese Welt ein Misthaufen, denke ich, und
verspüre große Lust davonzurennen.
Ich mache, was ich immer mache, wenn es schwierig wird. Ich
biete Schweizer Schokolade an. Da kann man noch etwas Nettes dazu sagen. „Diese
Köstlichkeiten habe ich extra für Euch aus der Schweiz mitgebracht“ und schon
ist die Situation entschärft. Raffael und Khalil kauen einträchtig auf ihren
Schokostückchen. „Komm` Khalil, lass uns fahren. Nächste Station ist Caesarea. Yalla. “
entscheide ich.
Ich habe keine Lust, jetzt irgendetwas vorzutragen.
Eigentlich wollte ich die Zeit nutzen, von den Osloer Abkommen zu erzählen und
von dem Mann, der sie in die Wege geleitet hat, Yitzhak Rabin. Diesem
Politiker, der sich trotz oder vielleicht vielmehr gerade wegen seiner
Vergangenheit als Kriegsheld auf seine alten Tage hin dem Streben nach Frieden
und Aussöhnung mit den arabischen Nachbarn verschrieben hat. Ich erzähle gerne
von ihm. Einerseits, weil ich ihn wirklich verehre und andererseits, weil sich
an seiner Vita die Befindlichkeit der israelischen Gesellschaft gut
nachzeichnen lässt. Oder zumindest von einem großen Teil davon, der wie Rabin
selbst, endlich eingesehen hat, dass nur gemeinsam mit den arabischen Nachbarn
eine friedliche Zukunft für alle überhaupt denkbar ist. Aber ich finde, niemand
in diesem Bus hat verdient, dass ich mir die Seele aus dem Leib rede. Sollen
sie doch weiterhin billige Olivenholzkamele kaufen und den armen Händlern die
Preise drücken. „Stellen Sie sich vor, Elisabeth, ich habe die Hälfte
heruntergehandelt. Dem habe ich es gezeigt, diesem arabischen Schurken.“ hatte
Herr Nervengas nach seinem Kamel-Karawanen-Einkauf ganz stolz zu mir gesagt.
Ich lege eine Musik-Kassette ein, natürlich mit israelischen Songs der frühen
Jahre. Was würde
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