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Der Mann aus Israel (German Edition)

Der Mann aus Israel (German Edition)

Titel: Der Mann aus Israel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Jardas
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strahlend zu sein. Jetzt lasse ich sie noch fünf Minuten
regredieren, denke ich, dann muss ich sie zur Ordnung rufen. Das wird wieder
schwierig werden, aber schließlich sind sie ja nicht im Heiligen Land zum
Schunkeln, dann sollten sie besser nach Meran zum „Törggelen“ fahren. Wir
machen eine Studienreise. Ich selbst muss mich auch konzentrieren, schon
deshalb, weil ich ein biblisches Thema anschneiden werde auf dem Weg zum Berg
Tabor, und da wird der Erzengel sicher gewaltig die Ohren spitzen. Er traut keinem
Nicht-Juden profunde Kenntnisse im Alten Testament zu. Aber da wird er sich
wundern, wie gut ich zu Hause bin in der alten, chalkolitischen Jesreel-Kultur
und wie elegant ich dieses abstrakte Thema mit den Geschichten des Büchlein Rut zu verbinden weiß. Die Geschichte der tapferen Moabiterin Rut, die als
Ausländerin im einstigen Israel eine Heimat fand, ist auch heute im modernen
Staat immer noch eine beliebte Story. Wie alle Geschichten aus dem großen
Geschichtsbuch der Juden, der Bibel. Jedes Volk hält sich an seinen
Kulturrelikten fest, die Deutschen am Großen Karl, an ihrem Dürer und an
Goethe. Den Juden bleiben die Geschichten aus dem Alten Testament. Die kauen
sie von frühester Jugend an immer und immer wieder. Kein Wunder, dass sie
bibelfest sind und die kniffligsten Fragen beantworten können, die bei den
populären Bibel-Quiz-Sendungen in Radio und Fernsehen gestellt werden.
    Ich erzähle meinen Gästen von Rut, der Ährenleserin, die
zusammen mit anderen Witwen und Besitzlosen im Jesreel-Tal vereinzelte, nach
der Ernte stehengelassene Halme fein säuberlich aufsammeln darf, um nicht zu
verhungern. Ein eisenzeitliches Brauchtum, Hungerhilfe des zweiten
vorchristlichen Jahrtausends. Rut, die mit ihrer Aussage Wo du hingehst, da
will auch ich hingehen; wo du bist, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein
Volk, und dein Gott ist mein Gott Weltruhm erreichte, wurde für ihre
Standfestigkeit später denn auch belohnt. Der reiche Landbesitzer Boas
heiratete die mittellose Frau, sie schenkte ihm einen Sohn, Obed, dessen Enkel
wiederum der große König David war. Rut ist die Stammmutter des Hauses David.
    Am Fuße des Berges Tabor müssen wir in große
Limousinen-Taxis umsteigen, weil die Straße hinauf so schmal ist, dass es unser
Bus nicht schaffen kann. Raffael platziert die Gäste in die Autos. Er lässt
kein Zögern zu, knallt mit den Türen, klopft aufs Dach, und schon rast der
Fahrer los. Das habe ich noch nie erlebt. Hier herrscht sonst das totale Chaos.
Jeder schubst und drängelt, in allen möglichen Sprachen wird geflucht.
Normalerweise. Für den Erzengel ist es scheinbar kein Problem, sich Respekt zu
verschaffen. Ich schaue ihn von der Seite an und sage „Hut ab, Raffi, von
straffer Organisation verstehst Du was.“ Wir sitzen im letzten Taxi, allein.
„Du warst eben auch sehr gut. Eisenzeit und Chalkolithikum sind zwar nicht das
gleiche, aber Du hast die Geschichten unglaublich interessant erzählt.“ lobt
mich mein Begleiter zurück. Ich freue mich, als hätte ich die beste Zensur der
Klasse erhalten. „Weißt Du, dass Du schön bist, wenn Du so lachst.“ sagt er.
„Bei Dir lacht nicht nur der Mund, das ganze Gesicht strahlt. Das ist schön.“
    Wir sind heute sehr nett zueinander. Irgendwie hat sich
meine Wut auf ihn gelegt. Ich fühle mich ganz wohl in seiner Gesellschaft. Ich
beobachte ihn ein wenig von der Seite. Der Bauch ist echt zu dick, denke ich,
der Hals ist ein wenig zu kurz. Er sieht aus wie ein amerikanischer Trapper in
Urlaub. Also, ehrlich, Elisabeth, denke ich, an dem ist doch nichts, was Dich
aus der Ruhe bringen kann. Ich lehne mich zurück in meinen Sitz. „Wenn Du Lust
hast, Raffi, kannst Du oben führen.“ sage ich gönnerhaft. Er nickt.
    „Zeigst Du mir mal gelegentlich Deine Keilschrift-Tafeln?“
fragt er dann.
    „Hör` bloß auf damit.“ gebe ich ihm lachend zur Antwort.
„Ich habe überhaupt keine dabei. So was schleppt man doch nicht mit sich rum.
Ich sage das auch immer nur zu den Gästen, damit ich nach dem Abendessen
verschwinden kann. Dann lese ich Krimis, schau „Die Reichen und Schönen“ im
Fernsehen an, trinke einen Cognac hie und da und genieße meine Ruhe. Und die
Gruppe versinkt in Hochachtung vor meiner wissenschaftlichen Energie.“
     Oben auf dem kleinen Berg, wo die in den Zwanziger Jahren
von dem italienischen Mönch-Architekten Barluzzi nachgebaute frühchristliche
Kirche von Qalb Loze in Syrien steht, erzählt Raffael von

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