Der Mann aus Israel (German Edition)
auf
Heimaturlaub geht. Und jetzt bekomme ich Panik, wenn ich mir vorstelle, dass
ich ihn erst übermorgen wiedersehen soll. Ich möchte so gerne, dass er bleibt.
Ich möchte bei ihm sein. Er soll wieder mit meinen Haaren spielen und über
meinen Kopf streichen. Ich spüre, wie sich mein Mund bewegt. Das Blut jagt
durch meinen Körper. Ich werde ihn bitten zu bleiben. Nur die Worte müssen noch
heraus, müssen noch gesagt werden. Es ist doch ganz einfach, Elisabeth, sag`
einfach bleib`. In meinem Bauch pocht es, mein Herz tanzt wie wild. Ich
will nicht, dass er geht, ich will es nicht. Bleib` doch, bleib`, flehe ich
stumm. Aber ich bringe kein Wort heraus.
„Schau mich nicht so an, Elisabeth“, sagt er zu mir. Seine
Stimme ist so weich und seine Augen sind tief und goldfarben. „Du hast es so
gewollt.“ Er berührt ganz leicht meine Wange, sagt „Schalom“ und schiebt mich
in die Drehtüre des Hotels. Ich stehe im gleißenden Licht der Halle und drehe
mich nach ihm um. Aber ich sehe ihn nicht mehr, er ist schon in die dunkle
Nacht verschwunden. Ich weiß nicht wie, aber ich finde mein Zimmer. Ich werfe
meinen Rucksack auf das riesige Bett und laufe auf den Balkon. Mir ist, als sei
ich in ein schwarzes Loch gefallen. Mein Körper ist nicht mehr da, ich bin
leer, das Leben ist aus mir entschwunden. Ich spüre, wie mir die Tränen über
die Wangen laufen. Ich klammere mich an dem Balkongitter fest und rufe in die
Nacht hinaus: „Raffi, Raffi, komm zurück. Du darfst nicht weggehen. Komm
zurück.“ Lange stehe ich da und starre auf die beleuchtete Stadt unter mir.
Aber ich erkenne nichts. Alles, was ich sehe, sind seine goldgrünen Augen. Ich
möchte, dass er mich mit diesen Augen anschaut und mit seinen schlanken, warmen
Händen berührt. Ich schüttle mich mit aller Gewalt aus dieser Trance. Du darfst
Dich nicht so gehenlassen, rede ich auf mich ein. Das ist ein Gefühlstaumel,
der wieder vorbeigeht, nur ein kleiner Rausch, nichts Ernstzunehmendes. Ein
Stich ins Fleisch, nicht ins Herz.
Ich hole mir eine Cognacflasche aus der Bar und sehe im
Vorbeigehen, dass das Buch für Raffis Vater aus meinem Rucksack gerollt ist.
„Ich habe vergessen, es ihm zu geben. Wie schade.“ denke ich. Ich nehme einen großen
Schluck aus der Flasche, zünde mir eine Zigarette an und versuche, einen klaren
Gedanken zu fassen. Wenn er geblieben wäre, hätte er nicht nur mit Dir plaudern
wollen, er hätte Dir die Kleider heruntergerissen, hätte Dich aufs Bett
geworfen und wäre in Dich gedrungen mit seinem fremden Glied. Mir wird ganz heiß
bei dem Gedanken. Wie er wohl aussieht ohne Kleider? Wie sich seine Haut
anfühlt? Wie gerne würde ich das wissen. Ich werde nie erfahren, wie es ist,
von einem anderen Mann liebkost zu werden. „Raffael, Raffael.“ höre ich mich
sagen. Ich kann keinen anderen Gedanken denken. Elisabeth, sage ich zu mir, Du
bist kein Flittchen. Es ist genau richtig, was Du getan hast. Du hättest Dir
nie wieder in die Augen schauen können, wenn Du jetzt mit ihm geschlafen
hättest. Ich sitze auf dem Bett und führe Selbstgespräche, versuche mich zu
beruhigen, meine gedankliche Klarheit zurückzugewinnen, auf die ich mir immer
so viel eingebildet habe. Es nützt nicht viel, die große, schmerzliche Leere in
meinem Körper bleibt. Und die könnte nur er ausfüllen. Raffael.
Ich werde duschen und dann schlafen, überlege ich. Am
besten, ich nehme eine Schlaftablette. Ich rede laut vor mich hin. Auf dem Weg
ins Bad sehe ich, dass zwei Anrufe auf dem Beantworter registriert sind.
Vielleicht von Raffael? hoffe ich. Ich drücke auf den Knopf. Die Stimme, die
ich höre ist nicht Raffaels, sie gehört Ari, einem meiner ältesten Freunde
hier. Es konnte gar nicht Raffael sein, ich wusste es, aber dennoch sticht es
mir ins Herz vor Enttäuschung. Ich kann mich kaum auf Aris Nachricht
konzentrieren.
„Schalom, Elisabeth, hier ist Ari. Ich höre, Du hast morgen
frei. Warum kommst Du nicht rüber zu uns und gehst mit mir fliegen. Ruf mich
doch zurück.“ Ich werde sicher nicht kommen, lieber Ari, denke ich. Trotz der
schönen Erinnerungen an unsere gemeinsamen Flüge mit Deinem winzigen, selbstgebastelten Ultralight- Flieger . Vielleicht hält Raffi es nicht aus in seinem
Wohnzimmer und kommt zu mir. Dann muss ich da sein.
Der zweite Anruf ist von Jason, einem jungen Journalisten,
der vor ein paar Jahren aus Südafrika hierher kam. Er hat immer noch einen
starken englischen Akzent in seinem Hebräisch. „Schalom,
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