Der Mann aus Israel (German Edition)
Elisabeth. Ich möchte
Dich morgen zum Abendessen einladen. Rachel wird auch da sein und Stephen und
noch ein paar andere. Bring` eine Flasche Wein mit. Nicht vor sieben Uhr
kommen. Du brauchst nicht zurückrufen“, fügt er hinzu. „ich erwarte Dich auf
jeden Fall.“
Nein, nein, denke ich, ich kann da nicht hingehen. Sie
werden ständig von der Gewerkschaft reden und von den Linksliberalen, die sich
viel zu ruhig und passiv verhalten und nichts gegen die aggressiven Rechten
tun. Früher war ich stolz, wenn ich dorthin eingeladen wurde, stand schon eine
halbe Stunde zu früh an der Haustür in der Arlosorow-Strasse . Ich
rauchte dann noch zwei Zigaretten im Schutz der großen Magnolie vor Jasons
Haus, bevor ich mich zu klingeln traute. Wie lieb von ihm, mich dazuzubitten.
Aber ich werde nicht kommen. Vielleicht bleibe ich den ganzen Tag im Bett,
denke ich. Irgendwie muss dieser Tag morgen vorbeigehen.
Ich gehe ins Bad und stelle die Dusche an. Das heiße Wasser
tut gut. Der Strahl ist dick und kräftig, ich lasse ihn über den Rücken laufen,
über den Hals und die Brust bis zum Bauch. Ich spüre ihn zwischen meinen
Schenkeln und schreie plötzlich auf vor Erregung. Meine Oberschenkeln zittern,
mein Becken bewegt sich wie von alleine hin und her. Ich höre mich ganz laut
„Raffi“ schreien, mein ganzer Körper flattert. Ich halte mir den Strahl
zwischen die Beine. In mir pumpt es, mein Kopf scheint zu bersten. Ich sehe
nichts mehr, ich höre nichts mehr, ich spüre nur Wellen von unendlichem
Glücksgefühl.
Vierter Tag
Das Geräusch eines Presslufthammers weckt mich auf. Für
einen Moment weiß ich nicht, wo ich mich befinde, ich bin benommen. Die
Tabletten haben ihren Dienst getan, mein Schlaf war tief. Ich steige aus dem
Bett und muss aufpassen, dass ich nicht hinfalle, so schwindlig ist mir. Ich
gehe zum Fenster, um es zu Schließen, durch den Schlitz des Vorhangs flackert
ein Stück pastellfarbigen Himmels. Langsam ziehe ich die Vorhänge zurück und
sehe, wie sich über der mauerumwehrten Altstadt von Jerusalem mit der
goldglitzernden Kuppel des Felsendoms ein Schwarm rosaroter Wolken über den blauen
Himmel schwingt. Es sieht aus, als tanzten Millionen von Flamingos ein Ballett
zum Sonnenaufgang. Verschwommen und ineinander fließend, fliegen die Farben am
Himmel vorbei, mit einer ungeheuren Intensität. Ich denke an Claude Monet, er
konnte Momente wie diese auf seinen Bildern einfangen, den Übergang von
Phantasie, Erscheinung und Realität. Ich bin berührt von diesem Anblick, spüre,
wie mir die Tränen in die Augen jagen.
Und dann fällt mir ein, weshalb ich so benommen, so
verletzlich schon am frühen Morgen bin. Raffael. Ich werde ihn heute nicht
sehen, den ganzen Tag muss ich ohne ihn überstehen. Er ist nicht hier. Ich gehe
zurück ins Bett und ziehe die Decke über den Kopf, aber an Schlaf ist nicht zu
denken. Ich bin hellwach. Ob er wohl heute Nacht mit seiner Frau geschlafen
hat? Sicher hat er das. Ob er dabei an mich gedacht hat, meinen Namen in seinem
Herzen rief, als er in sie eindrang? Ich empfinde keine Eifersucht, aber einen
klopfenden Schmerz, der sich in meinem Körper ausbreitet. Das Sehnen nach
diesem Mann, seinen Händen, seinen Augen macht mich trunken. Ich spüre seinen
Blick, mit goldgrünen Augen sieht er mich an, bis in meine Fingerspitzen
vibriert dieser Blick in mir weiter. Es ist, als läge mein armes Herz wie ein
verlassenes Reh ungeschützt und frierend in kaltem Feld. Nach Hilfe suchend,
aber ohne Hoffnung darauf. Mein Herz schlägt verzweifelt und unregelmäßig, aber
das Zentrum des Schmerzes hat sich in meinem Bauch sein Nest gebaut. Es zerrt
und schmerzt und ergießt von dort seine elektrischen Wellen über meinen ganzen
Körper. Ich wälze mich im Bett herum. Raffael! Raffael! Komm’ doch zu mir, höre
ich mich rufen. Ich spüre, wie Tränen über mein Gesicht laufen und große nasse
Flecken auf das damastene Kopfkissen malen. Es wird vorbeigehen, rede ich auf
mich auf mich ein. Auch dieser Tag wird zu Ende gehen. Ich starre auf den
Himmel, von der bizarren Jagd der farbdurchtränkten Wolkenfetzen ist nichts
übriggeblieben, ein milchig-trüber Schleier hängt über der Stadt.
So hat es keinen Sinn, Elisabeth, sage ich zu mir, Du musst
aufstehen und Dich irgendwie ablenken. Am besten, ich gehe ins Museum, denke
ich, das hat immer noch gewirkt. Vor den Fundstücken der Alten Kulturen tritt
alles Persönliche in den Hintergrund. Es muss funktionieren. Ich will,
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