Der Mann aus Israel (German Edition)
dass es
funktioniert. Ich werfe die Bettdecke zurück und stehe in meinem luxuriösen
Zimmer mit den hellgrün-weiß gestreiften Seidentapeten, deren Muster sich in
der Bettwäsche und in den Überzügen der kleinen Polstergruppe wiederholt. Ich
drehe das Hausradio an, und Mozarts Violinkonzert Nummer drei perlt aus den
Lautsprechern. Die Wasserkaraffe auf dem Beistelltisch in feinster Damaszener Intarsienarbeit
ist aus schwerem Kristall, das Telefon ist mit einer Hülle aus Samt und Brokat
verkleidet. Alles ist so absurd elegant. Ich würde gerne auf diesen Plunder
verzichten, wenn ich nur noch einmal Raffaels Hand spüren dürfte, wie er mir
sanft über die Haare streicht, am Strand von Caesarea in unserer kleinen
Sanddüne. Das war erst gestern.
Und jetzt? denke ich. Mechanisch laufen die Handgriffe,
tausendfach geübt, bis ich eingecremt, geschminkt mit sauberer Bluse und
frischen Socken zur Kontrolle vor dem Spiegel stehe und in meine eigenen,
verzweifelten Augen blicke. Jetzt gehst Du zum Frühstück hinunter, nach einer
Tasse Kaffee wird es Dir schon besser gehen, versuche ich die traurige Figur im
Spiegel aufzumuntern. Sie nickt.
Hoffentlich läuft mir keiner dieser Touristen über den Weg,
denke ich, den ersten, der mich anredet, erschlage ich.
Ich gieße mir ein Glas Granatapfelsaft ein und betrachte das
Buffet. Hufeisenförmig durchzieht es den Speisesaal, in barocker Pracht quellen
aus den Porzellanschüsseln und Etageren die Früchte des Garten Edens. Erdbeeren
auf Eiswürfeln, fleischige Mangos, mundgerecht vorgeschnitten, saftige Ananas
mit Feigen verziert. Tische beladen mit Pasteten, Würsten, Käse, Tomaten und
dicken, glänzenden Oliven. Der Duft von frischen Croissants steigt mir in die
Nase. Wie soll ich mich entscheiden? Croissant mit Schokoguss, Croissant mit
Nussfüllung, Croissant mit schwarzem Sesam oder Füllung aus Feigenmarmelade?
Ich lächle vor mich hin. Ist doch schöner, als in der Westbank Müsli zu kauen,
denke ich bissig, wo der Geruch nach der Suppe vom Vortag noch in der engen
Stube hängt. Ich stelle mir Raffi vor, wie er am Küchentisch sitzt, unrasiert,
im Unterhemd, und sich übellaunig den dicken Bauch vollschlägt. Möchte ich ihm
wirklich dabei Gesellschaft leisten, zuschauen, wie er die Milch auf den Tisch
kleckert, um sie danach stillschweigend für ihn wegzuwischen? Ich streife mir
mit der blütenweißen Leinenserviette über den Mund und schaue auf das echte
Silber und hauchfeine Porzellan um mich herum. Hier gehörst Du her, Elisabeth,
das ist Deine Welt, sage ich leise zu mir, wünsche Dir nicht, den ranzigen
Alltag des Erzengels zu teilen. Aber bei mir wäre der Erzengel nicht
abgestanden und unzufrieden, denke ich sofort, er würde lachend am Tisch
sitzen, mich vergnügt in die Wange kneifen und mich mit dem Glanz seiner
goldgrünen Augen an die Wonnen der vergangenen Nacht erinnern. Ich stehe vor
dem üppigen Füllhorn des Fünfsterne-Frühstücks und möchte heulen.
Da bohrt jemand seinen Finger in meinen Arm, ich zucke herum
und schaue in die bösen Augen von Doktor Nerwenka. „Ich halte es für eine
Zumutung“, hämmert er auf mich ein, ohne Guten-Morgen-Gruß, „und pure Absicht.“
Sein Dialekt hindert ihn, deutlich zwischen p und b und t und d zu unterscheiden. Am frühen Morgen erscheint mir dies noch
unerträglicher als sonst. „Die wollen sich nur an den Touristen bereichern.“ Es
klingt wie Durisdn. Wo ist die nächste faule Tomate, um sie diesem
ewigen Nörgler ins Gesicht zu schleudern, denke ich wütend und lächle ihn süßlich
an dabei. „Guten Morgen, Herr Doktor, wünsche wohl geruht zu haben. Wenn Sie
allerdings möchten, dass ich Ihnen zuhöre, bitte ich erstens um einen
angemessenen Ton und zweitens um eine logische Aufgliederung Ihrer Erlebnisse.“
fordere ich ihn auf. Mein Ton ist weit entfernt von jeglicher Angemessenheit,
man könnte Malaria-Mücken damit aufspießen, so scharf und spitz ist er.
Nerwenka scheint das nicht zu stören. „Der Zimmerschlüssel ist eine
Kredit-Karte. Das ist ja schön und gut.“ sächselt er weiter. „Aber der Behälter
für diese Karte, mit der gleichzeitig auch der Strom übertragen wird, ist so
dusselig angebracht, dass man die Karte beim Türe öffnen knicken könnte. Und
dann muss der Tourist ‘ne neue Karte kaufen. Und diese Karten sind teuer. Das
ist Nepp, und ich lasse es mir nicht gefallen, dass das Hotel sich auf meine
Kosten bereichert.“
„Eine Karte kostet drei Mark.“ fahre ich
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