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Der Mann aus London

Der Mann aus London

Titel: Der Mann aus London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Fischkutters gearbeitet, und hinterher war er fünf Jahre bei der Marine gewesen.
    Er tauchte zweimal, dreimal. Und jedes Mal rührte er mit den Händen den seichten Schlamm auf dem Grunde auf. Beim vierten Mal stieß er auf ein altes Eisenkabel. Und erst beim fünften Mal, als ihn schon langsam die Angst packte, stieß er auf den Koffer.
    Von einer Sekunde zur anderen verwandelte sich seine Angst in Panik. Er bereute, etwas so Idiotisches getan zu haben. Er fragte sich, was passieren würde, wenn man ihn so erwischte. Mit dem Jackett über dem Arm lief er davon, wobei er in der Eile seine Schuhe am Kai stehen ließ.
    Noch nie war er die eiserne Leiter so schnell hinaufgekommen. Das Köfferchen triefte, und er selbst war klatschnaß. Aber er hatte Arbeitskleidung im Wandschrank und konnte sich umziehen. Das Köfferchen ließ er ungeöffnet und begnügte sich, es mit scheelen Blicken zu betrachten. Er mußte jetzt noch seine Schuhe holen gehen und war gerade wieder zurück, als das Moulin-Rouge geschlossen wurde.
    Camélia kam als letzte heraus, und sie warf einen Blick zu ihm hinauf, wie um sich zu vergewissern, ob er nicht vielleicht doch Lust hatte. Aber er brummte eben:
    »Und, was fange ich jetzt an?«
    Den Koffer aufmachen natürlich! Etwas anderes kam gar nicht mehr in Frage! Wenn er ihn jetzt noch zum Kommissariat trug, würde man sein Verhalten höchst merkwürdig finden. Und außerdem war womöglich nur geschmuggelter Tabak in dem Koffer.
    Der Koffer war nicht abgeschlossen. Als er den Deckel in die Höhe hob, sah er zuerst etwas Weiches, Nasses, eine Menge formloser Lappen. Er wühlte darin herum, um nachzusehen, ob nicht noch etwas anderes da sei. Und da erst wurde ihm klar, daß das alles Banknoten waren.
    Es war wie bei dem Mord vorhin: Im ersten Augenblick empfand Maloin überhaupt nichts; er starrte nur blöde auf diesen Haufen heller Scheine. Es waren englische Scheine in Fünf- und Zehnpfundnoten, die vom Wasser regelrecht zusammengeklebt waren.
    Er hatte natürlich schon Zehnpfundnoten gesehen. Er hatte selbst über fünftausend Francs auf der Sparkasse, und das Haus, in dem er wohnte, war sein Eigentum.
    Aber hier ging es nicht um zehn, fünfzig oder noch mehr solcher Scheine. Hier ging es um einen ganzen Koffer voller Banknoten! Eine unglaubliche Summe!
    Maloin stand auf, begann in seinem Glaskasten auf und ab zu gehen und dabei zum Fenster hinauszublicken. Das Meer wurde langsam heller. Weiter vorn, am Fischmarkt, fuhr ein Wagen nach dem anderen vor. In zwei Bistros war das Licht angegangen.
    Er betrachtete den Haufen Banknoten aus einiger Entfernung. Dann kippte er das restliche Wasser aus dem Koffer, als ob es nichts Wichtigeres zu tun gäbe. Danach breitete er seine nasse Hose auf einem Stuhl zum Trocknen aus und steckte sich eine Pfeife an.
    »Vielleicht sogar eine Million!« sagte er halblaut.
    Daraufhin setzte er sich vor den Haufen Scheine und zählte sie alle durch, wobei er die Fünfpfundnoten auf die eine Seite legte, und die Zehnpfundnoten auf die andere. Er griff zum Federhalter, tunkte ihn in die violette Tinte und begann zu rechnen. Er multiplizierte und addierte und kam schließlich auf den Betrag von fünfhundertvierzigtausend Francs zum derzeitigen ungefähren Wechselkurs.
    Nun ja … Also nur fünfhundertvierzigtausend Francs. Maloin hatte sich bereits an den Gedanken gewöhnt, soviel Geld zu besitzen. Als ob es das Natürlichste von der Welt sei, bündelte er die Scheine, packte sie in graues Einwickelpapier, legte sie in den Koffer und schloß alles in seinem Schrank ein.
    Sie waren zu dritt hier auf dem Stellwerk. Drei Rangiermeister, von denen jeder seinen eigenen kleinen Schrank hatte, in dem er seine Sachen unterbringen konnte.
    »Immerhin nichts ganz Alltägliches«, sagte er laut und mußte unwillkürlich lächeln.
    Er war trotzdem etwas gehemmt. Er vermied es zum Beispiel, Pläne zu schmieden oder sich frei heraus Gedanken darüber zu machen, ob er dieses Geld nun als sein Eigentum betrachtete oder nicht. Zum soundsovielten Mal drehte er eine Runde in seiner Glaskabine. Hinter den Scheiben schimmerte es jetzt hell, und sein Blick fiel auf zwei Männer, die auf der anderen Seite des Hafenbeckens standen und diskutierten. Der eine war Baptiste, ein Fischer, der für gewöhnlich irgendwo an der Mole seine Angel auswarf. Sein grüngestrichenes Boot hieß »La Grâce-de-Dieu«.
    Und der andere, der sich mit Baptiste unterhielt, trug einen beigefarbenen Regenmantel. Er war

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