Der Mann Aus St. Petersburg: Roman
»He, was ist denn da los?«
Felix beherrschte sich, zuckte mit den Achseln, als ginge ihn das nichts an. »Was weiß ich«, sagte er. Am liebsten wäre er gerannt, aber damit hätte er nur noch mehr auf sich aufmerksam gemacht. Der Mann an der Sperre zögerte. Felix kam ihm verdächtig vor, aber er mußte sich zunächst um den Zug kümmern. Schließlich sagte er: »Sie warten hier«, und rannte auf den Bahnsteig. Der Zug war etwa hundert Meter hinter dem Bahnhof stehengeblieben. Felix sah den Mann am Ende des Bahnsteigs auf den Bahndamm springen.
Er blickte sich um. Er war allein. Rasch verließ er den Bahnhof und ging auf die Straße.
Einige Minuten später sauste ein Wagen mit drei Polizisten an ihm vorbei und fuhr auf den Bahnhof zu.
Etwas außerhalb der Stadt kletterte Felix über einen Zaun, legte sich in ein Kornfeld und wartete dort auf die Nacht.
Der große Lanchester bog dröhnend in die Auffahrt nach Waiden Hall ein. Alle Fenster des Hauses waren hell erleuchtet. Ein Polizist in Uniform stand an der Tür, ein anderer ging auf der Terrasse auf und ab. Pritchard brachte den Wagen zum Stehen. Der Polizist an der Eingangstür nahm Habachtstellung an und salutierte. Pritchard öffnete den Schlag, und Waiden stieg aus.
Die Haushälterin, Mrs. Braithwaite, kam aus dem Haus, um ihn zu begrüßen. »Guten Abend, Eure Lordschaft.« »Guten Abend, Mrs. Braithwaite. Wer ist denn da?«
»Sir Arthur ist mit Fürst Orlow im Salon.«
Waiden nickte, und sie traten zusammen ins Haus. Sir Arthur Langley war der Oberinspektor der Polizei und ein alter Schulkamerad Waidens.
»Haben Eure Lordschaft schon zu Abend gegessen?« erkundigte sich Mrs. Braithwaite.
»Nein.«
»Wie wäre es mit einer Scheibe Wildpastete und einer Flasche Burgunder?«
»Das überlasse ich Ihnen.«
»Sehr wohl, Eure Lordschaft.«
Während Mrs. Braithwaite sich entfernte, trat Waiden in den Salon. Alex und Sir Arthur standen am Kamin und tranken Cognac. Beide waren in Abendkleidung.
Sir Arthur sagte: »Guten Abend, Stephen. Wie geht’s?«
Waiden schüttelte ihm die Hand. »Hast du den Anarchisten geschnappt?«
»Leider nicht .«
»Verdammt nochmal!« rief Waiden aus. »Das hatte ich befürchtet! Aber niemand wollte auf mich hören.« Er besann sich auf seine guten Manieren und schüttelte Alex die Hand. »Ich weiß wirklich nicht, was ich dir sagen soll, mein lieber Junge – du mußt uns für total unfähig halten.« Er wandte sich wieder an Sir Arthur. »Was, zum Teufel, ist denn nun schon wieder passiert?«
»Felix ist in Tingley aus dem Zug gesprungen.«
»Und wo war Thomsons Detektiv?«
»Auf der Toilette, mit einem Schädelbruch.«
»Das ist ja prächtig«, sagte Waiden bitter. Er ließ sich in einen Sessel fallen.
»Als die Stadtpolizei alarmiert wurde, hatte Felix sich bereits in Luft aufgelöst.«
»Er ist auf dem Wege hierher, bin du dir darüber im klaren?«
»Ja, natürlich«, erwiderte Sir Arthur besänftigend.
»Du solltest deinen Leuten befehlen, ihn zu erschießen, sobald er sich sehen läßt.«
»Das wäre zwar ideal – aber sie haben nun einmal keine Waffen.«
»Sie sollten aber welche haben, verdammt noch mal!«
»Da hast du bestimmt recht, aber die öffentliche Meinung .«
»Bevor wir weiterreden, sage mir, was bisher getan worden ist.«
»Gern. Wir haben fünf Patrouillen auf den Straßen zwischen hier und Tingley.«
»Sie werden ihn im Dunkeln nicht sehen.«
»Vielleicht nicht, aber jedenfalls wird ihre Anwesenheit dafür sorgen, daß er nicht so schnell durchkommt.«
»Das bezweifle ich. Und was noch?«
»Ich habe einen Inspektor und einen Sergeanten mitgebracht, die das Haus bewachen.«
»Ich habe sie draußen gesehen.«
»Sie werden alle acht Stunden abgelöst, Tag und Nacht. Der Fürst hat bereits zwei Leibwächter von der Sonderabteilung, und Thomson schickt noch vier weitere per Wagen hierher. Sie müssen heute abend ankommen und werden sich alle zwölf Stunden ablösen, damit er immer drei Mann bei sich hat. Meine Polizisten sind, wie gesagt, nicht bewaffnet, aber Thomsons Leute haben Revolver. Ich würde empfehlen, daß Fürst Orlow in diesem Zimmer bleibt, bis wir Felix gefaßt haben.«
Alex sagte: »Das werde ich tun.«
Waiden blickte ihn an. Orlow war bleich, aber ruhig. Er ist sehr tapfer, fand Waiden. Ich an seiner Stelle wäre schon längst wütend geworden und hätte mich über die Inkompetenz der britischen Polizei beklagt. Waiden sagte:
»Ein paar Leibwächter sind meiner
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