Der Mann Aus St. Petersburg: Roman
Detektiv sitzt im Büro des Bahnhofvorstehers und spricht ins Telefon:
»Der Anarchist war gerade im Haus in der Cork Street, Sir. Ich folge ihm jetzt.«
»Wo sind Sie?«
»Auf dem Liverpool-Street-Bahnhof. Er kaufte eine Fahrkarte nach Waidenhall. Er hat bereits den Zug bestiegen.«
»Ist er schon abgefahren?«
»Erst in . sieben Minuten.«
»Sind sonst noch Polizisten auf dem Bahnhof?«
»Nur zwei Bobbies.«
»Das ist nicht genug … dieser Mann ist gefährlich.«
»Ich kann die Abfahrt des Zuges verzögern lassen, während Sie Verstärkung kommen lassen.«
»Dann könnte unser Anarchist Verdacht schöpfen und davonlaufen. Nein. Sie bleiben bei ihm …«
Und was würden sie dann tun? fragte sich Felix. Sie könnten mich entweder irgendwo auf der Strecke aus dem Zug holen oder mich in Waidenhall erwarten und dann festnehmen.
Auf jeden Fall muß ich diesen Zug verlassen, und zwar so schnell wie möglich.
Und was mache ich mit dem Detektiv? Er muß im Zug bleiben, außerstande, Alarm zu schlagen, damit ich einen Vorsprung bekomme.
Ich könnte ihn fesseln, wenn ich einen Strick hätte. Ich könnte ihn bewußtlos schlagen, wenn ich irgendeinen harten Gegenstand hätte. Ich könnte ihn erwürgen, aber das würde Zeit in Anspruch nehmen und es könnte mich jemand dabei beobachten. Ich könnte ihn aus dem Zug stoßen, aber ich will, daß er im Zug bleibt.
Der Zug verlangsamte das Tempo. Vielleicht erwarten sie mich auf dem nächsten Bahnhof. Ich wünschte, ich hätte eine Waffe. Hat der Detektiv eine Pistole? Wohl kaum. Ich könnte die Fensterscheibe einschlagen und ihm mit einem langen Splitter die Kehle durchschneiden – aber das würde zuviel Aufsehen erregen.
Ich muß aus dem Zug verschwinden.
Einige Häuser tauchten neben dem Bahndamm auf. Sie kamen in ein Dorf oder eine kleine Stadt. Die Bremsen quietschten, ein Bahnhof kam in Sicht. Felix blickte angespannt aus dem Fenster. Der Bahnsteig schien menschenleer. Die Lokomotive blieb dampfend und zischend stehen.
Einige Leute stiegen aus. Ein paar Reisende gingen an Felix’ Fenster vorbei, eine Familie mit zwei kleinen Kindern, eine Frau mit einer Hutschachtel und ein großer Mann in einem Tweedanzug.
Ich könnte ihm einen Schlag versetzen, überlegte er, aber es ist schwer, jemanden mit bloßer Faust bewußtlos zu schlagen.
Die Polizeifalle kann schon auf dem nächsten Bahnhof sein. Ich muß jetzt verschwinden.
Ein Pfiff ertönte.
Felix stand auf.
Der Detektiv blickte ihn verblüfft an.
Felix fragte: »Gibt es eine Toilette im Zug?«
Der Mann war überrascht. »Ah … aber gewiß doch«, sagte er.
»Vielen Dank.« Darauf war er nicht gefaßt, stellte Felix zufrieden fest.
Er trat aus dem Abteil in den Korridor.
Dann rannte er bis zum Ende des Wagens. Der Zug ruckte und setzte sich in Bewegung. Felix blickte zurück. Der Detektiv steckte den Kopf aus dem Abteil. Felix ging in die Toilette, kam wieder heraus. Der Detektiv beobachtete ihn noch immer. Der Zug fuhr ein wenig schneller. Felix ging an die Tür. Der Detektiv kam auf ihn zu. Felix drehte sich um und schlug ihm direkt ins Gesicht. Der Detektiv taumelte leicht zurück. Felix schlug ihn abermals, in die Magengrube. Eine Frau schrie auf. Felix packte den Mann bei der Jacke und zerrte ihn in die Toilette. Der Detektiv wehrte sich, versetzte Felix einen Schlag in die Rippen, der ihn aufkeuchen ließ. Doch dann packte er den Detektiv mit beiden Händen am Kopf und stieß ihn mehrere Male mit voller Kraft auf den Rand des Waschbeckens. Der Zug erhöhte die Geschwindigkeit. Felix ließ den Kopf des Detektivs immer wieder gegen das Waschbecken prallen. Der Mann sackte zusammen. Felix ließ ihn fallen und trat aus der Toilette. Er ging zur Tür und öffnete sie. Der Zug befand sich jetzt in voller Fahrt. Eine Frau am anderen Ende des Korridors beobachtete ihn mit aschfahlem Gesicht. Felix sprang. Die Tür schlug hinter ihm zu. Er landete rennend, kam ins Stolpern, gewann aber das Gleichgewicht wieder. Der Zug fuhr weiter, schneller und schneller. Felix ging zum Bahnhofsausgang.
»Sie sind ein bißchen zu spät ausgestiegen«, sagte der Mann an der Sperre.
Felix nickte und gab ihm seine Fahrkarte.
»Damit können Sie noch drei Stationen weiterfahren«, sagte der Kontrolleur.
»Ich habe es mir im letzten Augenblick anders überlegt.«
Man hörte das Quietschen von Bremsen. Beide blickten den Schienen nach. Der Zug hielt an; jemand hatte die Notbremse gezogen. Der Mann an der Sperre sagte:
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