Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte
alten, vermögenden Männern. In meinem Beruf ist es wirklich kein Wunder, einen Universitätsprofessor zu kennen. Das sind die Schlimmsten: Fetischisten, Phobiker, Rollenspieler, Regressive. Früher war ich in Heidelberg. Da läuft genau dasselbe.«
»Und Bötsch?«
»Was geht Sie das an?«
»Neugierde.«
»Großartig. Wie stellen Sie sich das vor? Ich lebe von meiner Diskretion.«
»Sie leben vom Geld«, sagte ich und hielt ihr fünfhundert Mark hin.
»Das ist keine fünfhundert wert. Der Bötsch ist harmlos.«
»Keine Hunde?«
»Wie kommen Sie auf Hunde? Wegen der Zoologie? Nein, ich sag Ihnen doch, der ist harmlos. Ein- oder zweimal im Jahr fährt er nach Amerika zu Freunden, nach Connecticut, ein Ehepaar. Die sind etwa in seinem Alter, nette Leute. Die suchen auch nach Würmern. Ich muss dort seine Ehefrau spielen, sein hübsches Dummerle. Und mit ihm in einem Bett schlafen. Aber er hat mich noch kein einziges Mal angefasst. Er liest die ganze Nacht. Keine Ahnung, wann dieser Mensch schläft. Das ist das einzig Nervige, seine Leserei.«
»Wozu soll das gut sein, das Theater mit der Ehe?«
»Er sagt, es ginge ihm nur darum, seine Freunde hereinzulegen, ihnen etwas unterzuschieben.«
»Was denn genau?«
»Na, mit einer jungen Frau verheiratet zu sein, wie es sich für einen europäischen Professor gehört.«
»Ist er tatsächlich verheiratet?«
»Ja. Mit so einer Sechzigjährigen. Dies ist aber kein Dummerle, denke ich. Sie weiß sicher, was ihr verrückter Alter aufführt. Das sind die Frauen, die mächtig genug sind, dass sie ihren Männern die kleinen Spielereien durchgehen lassen.«
»Wo wohnen die Bötschs?«
»Das ist jetzt mehr als fünfhundert wert. Die Bötschs stehen nicht im Telefonbuch«, sagte sie.
Nun, ich hätte natürlich auch Borowski oder jemand anders fragen können. Aber die Frau hatte bereits den Geldschein aus meiner Hand gezogen, und einen zweiten aus meiner Geldbörse, den letzten.
»Unterhalb von der Wernhalde.«
Sie nahm einen Zettel und notierte darauf eine Adresse in der Bopserwaldstraße. Und die Adresse von der Wohnung, in der wir gerade saßen, damit ich auch sicher wieder hierherfand, um meinen betäubten Freund abzuholen.
»Eine Bitte noch«, sagte ich, als sie mir das Papier gab.
»Was denn?«
Es war spät geworden. Ich benötigte ein Taxi. Und nach dieser unverschämten Schröpfung brauchte ich ein wenig Geld, um die Fahrt bezahlen zu können. Unglaublicherweise ignorierte sie meine Bitte. Ich hätte ihr drohen können. Noch besser: Ich hätte sie bereits disziplinieren müssen, als sie mein letztes Geld aus der Tasche zog. Aber irgendwie hatte alles seine Ordnung. Sie trieb mich zur Tür hinaus. Rief mir nach, wenn ich bis Sonntagmittag meinen Freund nicht abgeholt hätte, würde sie ihn aus seinen Träumen holen und rausschmeißen.
Das war nicht die Frau, mit der man diskutieren konnte. Immerhin war sie so gütig, mir ein Taxi zu bestellen. Die Rechnung beglich dann der Nachtportier des Hotels Graf Z. Dieser Kerl mit dem Aussehen eines Heiratsschwindlers zwinkerte mir mit wissender Miene zu. Wahrscheinlich würde ich ihm das Doppelte zurückzahlen müssen.
In meinem Zimmer trank ich noch einen Schlehengeist, diesen scharf-milden Trost. Dann zog ich mich bis auf die Unterwäsche aus, kroch unter die Decke und dachte über meinen Auftrag nach, der sich nun so unangenehm, so auffällig, so geschichtenträchtig gestaltete wie nie zuvor in meinem Geschäftsleben, das bisher ruhig und von Korrektheit auf allen Seiten bestimmt gewesen war. Stets hatten sich Auftraggeber, ebenso Opfer und andere Involvierte völlig unspektakulär verhalten. Hier aber schienen alle durchzudrehen oder zu versagen. Bis auf Frau Holdenried. Mit der Befürchtung, dass auch sie im entscheidenden Moment irgendeinen Unsinn verzapfen würde, eine eines vernünftigen Opfers unwürdige Handlung, nickte ich ein.
Ich schlief praktisch in meinen Mittagsschlaf hinein, was leider dessen sonst so exzellente Wirkung aufhob. Um zwei Uhr kroch ich mit Gliederschmerzen aus dem Bett, gerädert und schwach im Kopf, brauchte anderthalb Stunden, kaltes Wasser und viel Kaffee, um mich zu fangen. Wenigstens hatte ich an diesem Tag keinen Termin.
Ich trat hinaus auf die Straße, schaute hinüber zum Bahnhof, zum Turm, zum Stern und fragte mich, wo Bötsch war. Ganz offensichtlich hatte Geislhöringer sein Versprechen, den Parasitologen aus dem Verkehr zu ziehen, nicht gehalten, nicht halten können. Ich
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