Der Mann, der den Flug der Kugel kreuzte
des Doppelbetts wieder bewusst wurde. Wobei es sich nicht um die von mir erwartete antiquarische Monstrosität handelte, sondern um einen eleganten Futon, darauf Bettwäsche, die ein frömmelnder Charakter als frivol hätte empfinden können. Mir gefiel die Atmosphäre, auch wenn auf einem der Nachttische ein aufgeschlagenes Buch lag, in dem eine ziemlich unappetitliche Abbildung zu sehen war. Wahrscheinlich handelte es sich um so etwas wie Die wunderbare Welt der Fliegenmaden . Ohne weiter hinzusehen, klappte ich es zu und legte es auf einen entfernten Stuhl.
»Nicht aufräumen«, sagte Olga. »Zieh mich lieber aus.«
Das war ein nettes Angebot. Aber ungewöhnlich. Für mich ungewöhnlich. Ich bin keine zwanzig, sondern siebenundfünfzig. Ich habe das Ausziehen vor dem Geschlechtsakt immer als etwas Irritierendes erlebt, wo jeder für sich bleibt, die Lust kurzzeitig einen Tiefpunkt erreicht, da man das eigene Hemd aufknöpft und sich überlegt, ob man mit oder ohne Unterwäsche ins Bett steigen soll. Und zudem beginnt, sich hygienische und ähnliche Gedanken zu machen.
Diesmal sollte es anders sein. Nicht, dass wir uns die Kleider von den Leibern rissen. Ich zog den Reißverschluss die wunderbar lange Strecke vom Nacken bis zu der kleinen Grube, die ihren Poansatz bildete, so wie man die eine Hälfte eines Grashalms abzieht. Dann drehte ich Olga zu mir, machte ihre Schultern frei. Das Kleid glitt an ihrem Körper hinunter, floss zu Boden. Ich erschrak, da sie darunter absolut nichts anhatte, erschrak im Nachhinein über die Vorstellung, dass sie mir Stunden zuvor ohne jegliche Unterwäsche entgegengetreten war.
Sie hatte eine schöne, kräftige Figur, einen vom Wandern, Pilzsuchen, Skifahren und Schwimmen in kalten Gewässern trainierten Körper. Natürlich sah man ihr auch, mehr als im Gesicht, die sechzig an. Ihre Haut war glatt, aber Brust und Bauch besaßen die Schlaffheit der späteren Jahre. Ich vermutete, sie hatte Kinder auf die Welt gebracht. Aber das war nicht der Moment, über Kinder zu reden. Sie musste eine Schönheit gewesen sein, war es noch immer.
Und ich bin ein Fettsack, dachte ich, als sie mir nun ein Kleidungsstück nach dem anderen vom Körper entfernte, als würde sie einen überaus aufwendig verpackten Gegenstand öffnen. Ich genierte mich: für mindestens fünfundzwanzig Kilo von den hundert – hundertzehn, um einmal ehrlich zu sein –, für meine Haare auf dem Rücken, für einen viel zu kleinen Hintern und meine Storchenbeine. Für meinen kleinen Schwanz brauchte ich mich nicht zu genieren. Er hatte eine bereits durchaus ordentliche Größe angenommen. Aber auch dafür genierte ich mich.
»Du bist so schön braun«, sagte sie. »Ich mag das Käsige nicht.«
Ein Glück, dass ich zu Hause gern in der Sonne lag.
Sie fasste mein Geschlecht und zog mich daran ins Bett, was ich humorig fand und über das Humorige meine Steifheit verlor. Meine innerliche. Was nichts daran änderte, dass sie es war, die das Tempo vorgab. Ein gutes Tempo für einen Mann, der nicht in das Keuchen des Kurzatmigen verfallen wollte und die Peinlichkeit des Frühzeitigen fürchtete. Sie nahm meine Hand und fuhr damit über ihren Körper. Aber es hatte nichts Pädagogisches, nichts in der Art »Lern mich kennen«. Wir würden nicht die Zeit haben, uns kennenzulernen. Sie benutzte meine Hand wie eine Wurzelbürste.
Als sie den Kopf auf meinen Bauch legte, sagte sie: »Ich spüre die Sonne.«
Ich musste lachen. Sie lachte mit. Dann lachte sie in mein Glied hinein. Ich lachte dann auch noch zwischen ihren Beinen. Später setzte sie sich auf mich, sodass unsere Bäuche zusammenstießen, Nabel an Nabel, meine Grube und ihr Knopf. Ich fasste ihre Brüste, wie um sie zu stützen, und Olga nahm mich in sich auf. Das war hier keine Sportveranstaltung, es war ein gemeinsamer Spaziergang.
Nicht, dass ich sie wirklich hätte befriedigen können, doch als wir nebeneinander lagen und meine Erschöpfung endgültig war, sagte sie, dass sie sich schon lange nicht mehr so wohlgefühlt habe. Ich sagte nicht, dass es mir ebenso ging. Ich wollte nicht aussprechen, was sie mir bedeutete. Ich nahm Olga in den Arm. Aber eigentlich wollte ich weg. Weg vom Glück. Kein Glück hält, sobald wir es ins Leben hinaustragen. Aber hinaustragen muss man es. Oder fallen lassen. Für uns kam nur Letzteres infrage.
Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, wo ich war. Ich brauche immer eine Weile, wenn ich in einer Dunkelheit erwache wie in
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