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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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sich auf. »Sie haben wirklich Nerven, einfach hier unten aufzutauchen und solche Reden zu schwingen, nach allem, was Sie uns angetan haben.«
    »Das ist doch lächerlich«, entgegnete Elsa und verdrehte die Augen. »Er hat überhaupt nichts getan.«
    Sidney wandte den Blick nicht von Finn. »Wir wissen, wer Sie sind.«
    Elsa zog an Finns Hand. »Komm, Finn. Lass uns gehen.«
    »Sie sind Old Man Thunder.«
    Elsa platzte der Kragen. »Das ist doch Blödsinn! Sie wissen gar nichts über Finn. Wie kommen Sie auf solche Ideen?«
    Sidney warf ihr einen finsteren Blick zu. »Nur weil Kenneth Olivier sagt, dass Sie in Thunderstown willkommen sind, heißt das nicht, dass das auch stimmt. Er ist hier nämlich selbst nicht sonderlich willkommen.«
    Ein oder zwei der Beistehenden machten daraufhin ein Gesicht, als würden sie dem nicht unbedingt zustimmen, doch sie protestierten nicht. Elsas Magen verknotete sich, als sie beobachtete, wie schnell die Fügsamkeit der Leute jeden aufkommenden Zweifel niederdrückte. Plötzlich wurde ihr bewusst, wie deutlich sie ihr und Finn gegenüber in der Überzahl waren. Wieder versuchte sie Finn am Arm wegzuziehen. Er rührte sich nicht.
    »Daniel hat mir von Ihnen erzählt, Mr Moses. Ich dachte immer, er stellt Sie schlimmer dar, als Sie es in Wirklichkeit sind.«
    Während des Gesprächs hatten sich die Nebelfetzen um Finns kahlen Schädel verdichtet. Sie waren nun so undurchsichtig wie Aschewolken. Sidney beobachtete die Entwicklung mit grimmigem Interesse und wandte sich dann den Leuten zu.
    »Seht ihn euch doch an! Seht euch seine Haut an! Was habt ihr hier vor euch?«
    Einer aus der Menge jaulte: »Wetter!«, und sofort begannen alle zu schnattern wie eine aufgescheuchte Hühnerschar.
    Elsa erinnerte sich an die Angst, die sie in denselben Gesichtern gesehen hatte, an ihrem ersten Tag in Thunderstown, als Daniel den Hund getötet hatte. Eine finstere Vorahnung ließ ihre Ellbogen und Knie steif werden. »Finn, bitte«, flehte sie und wünschte, sie könnte sie beide einfach davonzaubern.
    »Beweisen Sie es«, verlangte Sidney.
    »Was beweisen?«
    »Beweisen Sie, dass Sie echt sind.«
    »Was soll das heißen? Natürlich bin ich echt.«
    »Klar, dass Sie das sagen. Aber wir glauben Ihnen nicht. Wir glauben, Sie sind ein Gewitter, das bloß vorgibt, ein Mensch zu sein.«
    Leugne es, dachte Elsa, auch wenn du von Wolken umhüllt bist.
    »Ich gebe gar nichts vor. Ich bin ein Gewitter und gleichzeitig ein Mensch. Aber ich bin nicht Old Man Thunder.«
    Sidney starrte mit übertriebenem Unglauben in die Menge. »Täuschen mich meine Ohren? Erst sieht er aus wie ein Gewitter in Menschenform. Und wenn wir ihm die Chance geben, es zu leugnen, bekennt er sich stattdessen auch noch schuldig!«
    Die Leute standen nun Schulter an Schulter. Abe Cossers linkes Bein zitterte; sein alter Stiefel tappte auf die Pflastersteine.
    »Komm schon, Finn«, sagte Elsa und zog an seinem Arm.
    Er widersetzte sich. »Nein, Elsa. Wir können es ihnen begreiflich machen. Was für einen Beweis wollen Sie von mir, Mr Moses?«
    Sidney griff an seinen Gürtel und löste das Messer, das daran befestigt war. Mitsamt dem Holster hielt er es Finn hin. »Es heißt, Old Man Thunder blutet nicht.«
    Finn nahm das Messer nicht. »Ich werde mich bestimmt nicht für Sie aufschlitzen. Das ist ja lächerlich.«
    Doch noch während er sprach, kam ein Windstoß die Straße heruntergeweht und zupfte an der Wolke, die an seiner Haut haftete, zog sie für einen Moment in die Länge wie silberne Haarsträhnen und wirbelte sie dann hoch in die Luft. Woraufhin der völlig verängstigte Abe Cosser laut zu beten anfing.
    »Müssen denn die Menschen«, begann Finn und in seiner Stimme lag ein Grollen, das nicht seine Stimmbänder zu verursachen schienen, »in allen Dingen, die sie nicht verstehen, den Teufel sehen? Glauben Sie mir, ich hatte selbst Angst vor mir, aber müssten Sie mich nicht allein deshalb beim Wort nehmen? Ich dachte selbst lange Zeit, ich wäre eine Art Monster, und dann hat ein kleines bisschen Freundlichkeit gereicht«, er drückte Elsas Hand, »um mir vor Augen zu führen, dass ich genauso bin wie jeder von Ihnen.«
    Einen Moment lang war Elsa so stolz auf ihn, dass sie ihre Angst vergaß, doch als sie triumphierend zu Sidney hinübersah, hatte dieser die Arme ausgebreitet, um zu den Stadtbewohnern zu sprechen, und als sie begriff, worauf all das hinauslaufen würde, war es, als stürzte ihr Herz in einen bodenlosen

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