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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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Seiten aus, sodass Finns Kopf von einem ovalen Nebelschwaden umgeben war. Die Wolke quoll stetig weiter aus ihm hervor und bildete dünne graue Fäden. Er sah aus wie eine in Brand geratene Statue.
    »Wer …«, stieß er hervor und noch mehr Wasser rann über sein Kinn und fiel wie ein Regenvorhang auf die Straße, »hat den Stein …« Er begann zu schwanken und Elsa musste sich mit ihrem gesamten Gewicht gegen ihn stemmen, um ihn auf den Füßen zu halten. Zur gleichen Zeit formte sich die Wolke zu einer Art Pilz mit einem breiten, finsteren Hut. Ein Regentropfen klatschte auf die Straße. Elsas Kleider wurden nass. Sie bekam kaum Luft, jeder Atemzug fühlte sich an, als hätte sie einen Schlag auf die Lunge bekommen.
    »Wer war das?«, zischte Elsa der Menge entgegen. »Na los, vortreten!«
    Köpfe drehten sich, als die Leute einander musterten, dann teilte sich die Menge und ließ den kleinen Abe Cosser allein in der Mitte stehen, einen weiteren Schieferbrocken in der zitternden Faust.
    »Sie …«, sagte Finn und spie einen weiteren Schwall Wasser aus, »müssen keine Angst haben. Das Wetter ist genauso wie Sie.«
    Abe blickte von Finn zu Elsa zu Sidney und schließlich zu seinen Spießgesellen, doch sie alle schienen sich von ihm abgewandt zu haben. Er sah auf das Stück Schiefer in seiner Hand hinunter. »Gott, hab Erbarmen«, murmelte er und schleuderte es auf Finn.
    Elsa schrie auf, als der Stein Finn am Kiefer traf und sein Kopf mit einem Gurgeln zur Seite knickte. Wieder musste sie ihn auffangen, ihn festhalten und sich gegen ihn stemmen, damit er nicht das Gleichgewicht verlor. Sie wünschte, sie wäre größer und stärker: Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so schwach gefühlt.
    Finn betastete die Wunde, die der Stein gerissen hatte und aus der Gas zu strömen begann. Es zeichnete die Linie seines Kiefers nach, eine zweite Dunstquelle, die die Wolke noch weiter anwachsen ließ. Innerhalb weniger Augenblicke wölbte sich ihr oberer Rand drei Meter hoch in der Luft, während sie links und rechts immer mehr in die Breite wuchs wie ein Paar ausgebreitete Flügel. Ein eisiges Rinnsal kondensierte in Elsas Nacken und rann ihr in den Kragen.
    »Finn«, keuchte sie und hielt ihn noch immer mühevoll aufrecht, »meinst du, du kannst laufen? Meinst du, wir können von hier verschwinden? Ich helfe dir auch, Finn.«
    Sie schlang sich einen seiner Arme um die Schultern, doch sie hatte nicht genug Kraft, um ihn mit sich zu ziehen. Sie blickte zurück durch die Wolke, die sie nun beide dicht umhüllte, und sah Abe Cosser, der noch immer ein Stück abseits seiner Gefährten stand, am ganzen Körper zitternd, und einen weiteren Stein in der Hand hielt.
    »Bitte, Mr Cosser«, schrie sie, »bitte, hören Sie auf damit!«
    Abe sah sie an wie ein Kaninchen, das vom Scheinwerferlicht eines Autos geblendet wird, doch bevor er antworten konnte, trat Sidney Moses neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Sie sind ein guter Mann, Abe. Und das da drüben ist noch nicht mal ein Mann.«
    »Bitte«, flehte Elsa ihn an, »bitte lassen Sie uns in Ruhe! Wir gehen! Wir gehen doch sowieso weg! Das hier ist völlig unnötig!«
    Sidney zuckte mit den Schultern. »Das hier hat nichts mit Ihnen oder Ihren Plänen zu tun. Wir schützen nur unsere Stadt vor dem Wetter. Am besten lassen Sie es jetzt los, Miss Beletti. Es ist nur eine Wolke, die Ihnen vorgetäuscht hat, ein Mensch zu sein, aber die Tarnung ist leicht zu durchschauen.«
    »Er ist beides! « Elsa versuchte Finn dazu zu bewegen, vorsichtig einen Schritt in Richtung des Old Colp zu machen. Sie nahm ihre ganze Kraft zusammen, doch sie fürchtete bei jeder Bewegung, dass sie alle beide zusammenbrechen würden.
    »Gehen Sie weg von ihm, Miss Beletti.«
    Sie ignorierte ihn. Es würde schwierig werden, Finn in diesem Zustand den Berg hinaufzubugsieren, aber wenn sie erst einmal in der Kate wären, könnte sie sich in aller Ruhe um ihn kümmern und würde nicht von seiner Seite weichen, bis er wieder vollkommen genesen war.
    Die Wolke war jetzt so weit angeschwollen, dass man ihre Form nicht mehr ausmachen konnte: Sie füllte die gesamte Straße aus, von Dachrinne zu Dachrinne, und versperrte die Sicht auf den Himmel.
    Sie drückte Finns Hand und zu ihrer Erleichterung sagte er: »Danke, Elsa«, begleitet von einem plätschernden Schwall Wasser.
    Abe Cosser warf den Stein.
    Er prallte von Finns Kopf ab und flog dann klackernd gegen eine Hauswand. Finn ging zu Boden, griff

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