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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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nicht auf die Idee gekommen wäre, nachzusehen, ob die Kirche gegen das Unwetter gesichert ist … Ich darf gar nicht daran denken, was sonst passiert wäre.«
    Nach und nach gelang es Elsa, ein wenig mehr zu trinken, doch es kostete sie sämtliche Energie. Danach verabschiedete sich Kenneth von ihr und versprach, Dot zu holen, die nun, da Elsa wach war, bestimmt nach ihr würde sehen wollen. Er zögerte und gab ihr einen väterlichen Kuss auf die Stirn. Dann nickte er, verlegen, aber zufrieden, und schlurfte aus dem Zimmer.
    Elsa stieß die Luft aus und betrachtete das Grau ihrer Umgebung. Ihre Augen waren nach dem Blitz noch immer überanstrengt und ließen ihr Bett endlos aussehen, in einer albtraumhaft verzerrten Perspektive, und ihre Füße am anderen Ende schienen meilenweit entfernt. Eine Motte flog lautlos unter der Zimmerdecke auf und ab und Elsa wünschte, sie könnte ihre flatternde Freiheit teilen. Neben dem Bett standen ein Stuhl und ein niedriger Nachttisch, ohne irgendetwas darauf, wie eine Vase mit Blumen oder eine Bibel. Der Raum entbehrte jeder Art von Ablenkung, so wie sie selbst jeder Idee, wie sie zu Finn gelangen könnte.
    Die Tür ging auf und jemand räusperte sich.
    »Herein.«
    Doch war es nicht Dot, sondern Daniel, der dort im Türrahmen stand und nervös auf den Fußballen wippte, wie sie es noch nie bei ihm gesehen hatte.
    »Elsa, wie schön, dass Sie wieder wach sind. Äh … ich kann auch wieder gehen, wenn Sie möchten.«
    »Nein, schon okay.« Hauptsache, irgendetwas lenkte sie von ihr selbst ab. »Ich bin nur überrascht, Sie zu sehen. Kenneth hat gesagt, Sie wären in die Kapelle gegangen.«
    Seine Haare wirkten zerzaust, so als hätte er dort geschlafen, doch nun setzte er sich eilig an ihr Bett und beugte sich dicht über sie. »Elsa, ich … ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen. Ich war ein unglaublicher Dummkopf. Ich hätte niemals versuchen dürfen, mich zwischen Sie und Finn zu drängen. Ich hoffe, ich kann das alles eines Tages irgendwie wiedergutmachen.«
    Sie seufzte. Seine Einmischungsversuche schienen Jahre zurückzuliegen. »Wenn Sie nicht zufällig Wolken zurück in Menschen verwandeln können, bezweifle ich, dass Sie viel tun können.«
    Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich werde mir Sidney Moses vornehmen.«
    Elsa verzog das Gesicht. »Davon will ich gar nichts hören. Ich kann es nicht ertragen, an ihn zu denken.«
    Daniel nickte und klemmte die geballten Fäuste zwischen seine Knie. Nachdem er gehört hatte, was die Stadtleute getan hatten, hatte ihn das Verlangen nach Rache erfüllt. Er hatte darüber nachgedacht, sich mit seiner Schrotflinte auf den Weg zum Haus der Moses zu machen, doch er war anderswo gebraucht worden. Er wusste, aus eigener, bitterer Erfahrung, was eine enttäuschte Liebe mit einem Leben anrichten konnte, und war bereit, alles zu tun, um Elsas Schmerz zu lindern.
    »Stimmt es, dass Sie Finn um Verzeihung gebeten haben?«
    »Ja. Obwohl mein Versprechen jetzt so gut wie ungültig geworden ist. Ich wollte meine Worte durch Taten besiegeln, aber dazu habe ich keine Gelegenheit mehr bekommen.«
    »Glauben Sie … Glauben Sie denn, er ist weg? Kenneth scheint das zumindest zu denken.«
    »Ich weiß es nicht. Über Thunderstown tobt ein Unwetter, also ist er auf irgendeine Art wohl noch da. Elsa … was hat Sie dazu getrieben, auf den Glockenturm zu klettern?«
    Sie erzählte ihm von ihrem Dad und seinem Mantra über die Beschaffenheit von Blitzen und dass sie deswegen auf den Turm geklettert war. Daniel hörte ihr niedergeschlagen zu, und als ihr Bericht zu Ende war, hatte er nicht mehr Hoffnung als sie.
    Er kaute auf seiner Unterlippe herum. »Elsa, Sie wissen, dass ich nie gut darin war loszulassen. Der Himmel weiß, dass ich mich mein gesamtes Leben lang an Dinge geklammert habe, von denen ich mich besser gelöst hätte. Erst vor Kurzem habe ich begriffen, dass man manchmal einfach die Vergangenheit hinter sich lassen muss. Man kann sie nicht zurückholen, und wenn man sich daran festhält, geht das Leben ohne einen weiter.«
    Elsa legte sich die Hände über die Augen. »Es ist nur … Als mich der Blitz getroffen hat, da habe ich Finn gesehen. Darum kann ich ihn jetzt nicht einfach aufgeben. Aber ich weiß nicht, was ich noch tun soll.«
    »Sie haben mich missverstanden. Ich wollte damit sagen, dass ich ihn niemals loslassen werde, selbst wenn sein letzter Regentropfen auf die Erde fällt. Selbst wenn die letzte Spur von ihm sich

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