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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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ein gutes Stück über einen Meter achtzig groß und von kräftigem Körperbau, der jedoch weder auf Muskeln noch Fett zurückzuführen zu sein schien. Sein Körper erinnerte Elsa an den eines Seelöwen – als wäre er eigentlich für einen anderen Lebensraum geschaffen worden, in dem sich, sobald er dorthin zurückkehrte, seine Formlosigkeit in Grazie verwandeln würde.
    Er trug ein Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, seine Jeans war an den Knien durchgescheuert und die Schuhe so abgetragen, dass seine Zehen durch die aufgerissenen Kappen lugten wie durch einen offenen Mund. Sie hatte keine Ahnung, wie lange er schon dort stand. Er war allein und redete mit sich selbst. »Was wohl passiert«, murmelte er, »wenn ich einfach loslasse?«
    Seine Stimme klang schleppend, tief und ein wenig nasal. Für eine Sekunde blickte er die Windmühle an und Elsa konnte ihm direkt ins Gesicht sehen. Hastig wich sie von ihrem Guckloch zurück. Seine eng stehenden Augen waren tief, dunkel, die Nase ebenmäßig und gerade wie ein Stück gefaltetes Papier. Sie hoffte, dass er sie durch den winzigen Spalt in der Mauer nicht gesehen hatte.
    Er begann, im Gras auf und ab zu stapfen, und trotz seiner Größe waren seine Bewegungen leicht und fließend. Dann blieb er stehen, starrte einen Moment lang auf das winzig erscheinende Städtchen am Fuß des Berges und wirkte dabei so verloren wie ein Schiffbrüchiger, der auf einer einsamen Insel gelandet war und auf den endlosen Ozean hinausstarrte. »Es gibt nur eine Möglichkeit«, sagte er, »es herauszufinden.« Er holte tief Luft und fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel. Dann bog er den Rücken zurück und blickte zum Himmel auf. Seine Not war so offensichtlich, dass Elsa ein schlechtes Gewissen bekam, weil sie ihn beobachtete. Sie überlegte, ob sie sich aus der Mühle und den Bergpfad hinunter schleichen sollte, um ihm die Einsamkeit zu gewähren, wegen der er sicherlich hier heraufgekommen war.
    Plötzlich begann der Mann, sich auszuziehen. Elsa wandte instinktiv das Gesicht ab, doch einen Moment später sah sie wieder hin.
    Er entkleidete sich systematisch. Mit flinken Fingern knöpfte er sein Hemd auf und warf es ins Gras. Dann öffnete er seine Gürtelschnalle und den Reißverschluss seiner Jeans und stieg aus seiner Hose. Als Letztes bückte er sich und zog seine Unterhose aus.
    Sein Körper war so makellos wie ein glatt geschliffener Kiesel am Meeresstrand. Seine Hautfarbe war schwer zu definieren: Sie war nicht direkt weiß, sondern vielmehr grau. Seine Gesäßbacken waren flach und die Haut dort so haarlos wie sein Kopf.
    Er stand jetzt genau zwischen Elsa und der Sonne. Sein kräftiger Körper schirmte das Licht ab, das ihn mit einem hellen Strahlenkranz umgab. Wie zum Zeichen der Kapitulation breitete er die Arme aus.
    Dann, ganz langsam, löste er sich auf.
    Wie Kreide, vom Regen zu einem weißen Schleier verwaschen, begannen seine Umrisse zu verschwimmen und seine Konturen schwanden beinahe unmerklich. Im einen Moment sah Elsa einen Mann vor sich und im nächsten nur noch eine graue Silhouette. Seine Haut wurde zu Nebel. Die Sonne hinter ihm ließ ihn erstrahlen und umrahmte ihn mit ihrem goldenen Schein, bis er nichts mehr von einem Mann an sich hatte, sondern immer mehr einer Wolke glich, die durch Zufall die Form eines Menschen angenommen hatte.
    Dann riss er auseinander. Sein Kopf schien sich auszuheulen, bis nur noch eine unförmige Kugel aus Dunst übrig war. Seine Brust klaffte auf und gab dort, wo sein Herz hätte sitzen sollen, den Blick auf den blauen Himmel und die Sonne frei. Er löste sich auf und war von Sekunde zu Sekunde immer weniger ein Mann und immer mehr eine Wolke.
    Elsa schrie lautlos auf. Einen kostbaren, panikerfüllten Moment lang kämpfte sie mit der Tür der Windmühle und stürzte dann nach draußen auf die Wiese. Nur ein paar Schritte von der Wolke entfernt blieb sie stehen. Sie wusste nicht, was sie tat; alles, was sie wahrnahm, war das Hämmern ihres Herzens in ihren Ohren.
    »Warte, bitte«, flüsterte sie.
    Die Wolke leuchtete auf. Elsa machte einen erschrockenen Satz zurück. Ein feines Netz aus Elektrizität durchzuckte den Dunst. Einen Moment lang schien es ein verzweigtes System von Adern zu formen, menschliche Venen und Arterien. Dann, mit einem letzten grellen Lichtblitz, war es wieder verschwunden.
    Elsa griff sich an die Wange. Etwas Kaltes, Feuchtes hatte sie dort berührt.
    Regen. Feines Wasser rieselte aus der Wolke auf

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