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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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entronnen. Er würde die Lebensmittel und den Stapel Papier zurücklassen wie eine Visitenkarte.
    Heute hatte er kein Glück. Er hörte, wie sich die Klinke bewegte, und im nächsten Moment öffnete sich die Tür der Kate.
    Daniel hatte sein Leben damit verbracht, Tierspuren zu verfolgen, wodurch er sich eine scharfe Beobachtungsgabe angeeignet hatte, und so entging ihm nicht Finns erwartungsvoller Blick, als er an die Tür kam. Der Ausdruck verschwand sofort wieder, so als hätte Finn jemand anderen erwartet. Sie grüßten einander höflich, doch als Daniel die Hütte betrat, schnüffelte er in die Luft, wie um einen Eindringling zu wittern. Nichts. Wenn Mole doch nur jung und gesund genug wäre, um ihn zu begleiten. Er trug die Lebensmittel in die kleine Küchennische und fragte sich wieder einmal, warum sie diese Gewohnheit überhaupt noch aufrechterhielten. Keiner von ihnen beiden machte sich die Mühe zu verbergen, wie sehr er diese Besuche hasste. Daniel räumte einen Großteil der Vorräte direkt in Finns Küchenschränke und in den Gemüsekorb, bevor er zwei Teller nahm (nicht ohne sich daran zu erinnern, wie Betty und er einst lachend von diesen Tellern gegessen hatten) und sie zum Tisch trug, zusammen mit einem erdverkrusteten Bündel Karotten, einem Laib Brot, der am Tag zuvor noch frisch und weich gewesen, inzwischen jedoch ziemlich vertrocknet war, und einem Glas Gemüsepastete, die er bei Sally Nairn in der Auger Lane gekauft hatte.
    Sie setzten sich zum Essen an den Tisch, doch beide rückten ihre Stühle leicht schräg davon ab, um sich nicht direkt ansehen zu müssen.
    »Und«, begann Daniel, »willst du mir erzählen, wie es dir so ergangen ist?«
    »Ganz gut, eigentlich.«
    Daniel nickte und brach das Brot. »Segne, Vater, diese Speise, uns zur Kraft und dir zum Preise.« Und, fügte er in Gedanken hinzu, mach, dass diese verdammte Stunde schnell herumgeht.
    »Amen«, sagten sie beide laut.
    Daniel tauchte das Ende einer Karotte in die Pastete, seufzte und biss hinein. Sally Nairn, dachte er, war eine gute Frau, doch egal, ob sie sich an einem Brotaufstrich, Essiggurken oder Marmelade versuchte, das Ergebnis schmeckte immer nach Kreide und Blumenkohl.
    »Und du?«, fragte Finn. »Wie geht es dir?«
    Daniel beschwichtigte seinen Gaumen mit einem Bissen trockenen Brots. »Ich habe immer noch Probleme mit Sidney Moses.«
    »Mit Sidney Moses wirst du doch sicher fertig.«
    »Ja, natürlich.«
    Eine Weile war nichts außer dem Knacken zu hören, mit dem ihre Backenzähne die Karotten zermahlten. Daniel brachte bei seinen Besuchen hier oben gern Karotten mit. Das Kauen füllte viel von der Zeit, die sie sonst mit Reden verbringen müssten. Am Anfang hatten sie solche Lücken damit überbrückt, indem sie in Erinnerungen an Betty schwelgten. Bevor sie Thunderstown verlassen hatte, war sie die Vermittlerin zwischen ihnen gewesen, und ohne sie waren die beiden wie zwei Männer aus unterschiedlichen Ländern, die von ihrem Dolmetscher sitzen gelassen worden waren. Sie hatten aus zweierlei Gründen aufgehört, über Betty zu reden. Zum einen, weil die Zeitspanne, innerhalb derer sie hätte zurückkehren sollen, längst verstrichen war. Und zum anderen, weil sie festgestellt hatten, dass ihre Erinnerungen an sie sehr unterschiedlich waren.
    »Ich hatte Besuch«, sagte Finn, aus heiterem Himmel.
    Daniel schluckte seine halb zerkaute Karotte hinunter. Sie blieb ihm im Hals stecken und er hustete. »Von wem?«, wollte er wissen, als er wieder Luft bekam.
    »Einer Amerikanerin. Sie war sehr nett.«
    Daniel schob seinen Teller von sich. Der Appetit war ihm vergangen. Einen Moment lang hatte er das Funkeln in Sidney Moses’ Augen vor sich gesehen, sollte er Finn jemals entdecken. »Es interessiert mich nicht, ob sie nett war. Ich werde dich doch wohl nicht daran erinnern müssen, warum du hier oben wohnst. Allein.«
    »Ich wusste, dass du es nicht gut aufnehmen würdest. Ist aber auch egal. Sie kommt sowieso nicht wieder.«
    »Gut. Aber ganz im Ernst, Finn, du hättest ihr noch nicht mal die Tür aufmachen sollen.« Daniel klopfte nervös mit dem Finger auf den Tisch, bis sein Gedächtnis ihm schließlich ihr Gesicht und ihren Namen lieferte. Elsa Beletti, die junge Frau, die protestiert hatte, nachdem er den wilden Hund getötet hatte. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihm aus. »Was hast du zu ihr gesagt? Darüber, warum du hier oben lebst?«
    Finn zupfte an einem Stück Brot. »Gar nichts.«
    »Gut. Das war

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