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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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ihnen herum, als wären sie nichts als ein Stapel Altpapier, ohne Rücksicht darauf, dass sie rechts und links vom Tisch zu Boden segelten.
    »Hier!«, rief er und hielt ein vollkommen anderes Kunstwerk hoch. Es war ein Wolkenkratzer aus Papier, mit einem stufenförmigen Dach, das zu einer langen Spitze zusammenlief. »Meine Mutter hat mir mal ein Foto gezeigt, von New York. Ist das richtig so? Ihr habt doch dort solche Türme, oder?«
    »Das ist …«, begann sie, doch sie konnte nicht weiterreden, weil plötzlich ihre Lippe zitterte. Sie war überrascht, wie sehr sie der Anblick dieses kleinen Gebildes verstörte. In New York war ihr die Riesenhaftigkeit der Gebäude Manhattans kaum mehr aufgefallen – sie hatte sich nach nur ein paar Wochen daran gewöhnt –, doch diese Papierversion wirkte beinahe so massiv wie ihre Vorlage. Elsas Hände waren wie an ihren Seiten festgefroren, unmöglich, sie zu bewegen. Mit einem Mal verspürte sie schreckliches Heimweh, doch gleichzeitig wurde ihr beinahe schlecht bei dem Gedanken an zu Hause.
    »Es gefällt dir nicht?«
    »Doch, es ist nur …« Ihre Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt. »Das ist wirklich nett von dir, aber …«
    »Hier.« In einer Sekunde stand das Hochhaus noch federleicht auf Finns Handfläche und in der nächsten hatte er es zu einer kleinen Papierkugel zerknüllt. »Weg ist es.«
    Nach einer Weile sagte sie: »Es tut mir wirklich leid. Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist. Ich wollte nicht so undankbar sein.«
    »Ich verstehe das. Manchmal gibt es im Leben einfach Dinge, die man lieber vergessen würde. Mir tut es leid. Ich hätte etwas anderes für dich falten sollen.«
    »Nein, das war wirklich lieb von dir. Ich bin nur … ein bisschen verkorkst, das ist alles.«
    Er warf die Papierkugel durch den Raum und sie landete direkt im Mülleimer. »Dann befindest du dich in guter Gesellschaft.«
    »Weißt du … es ist seltsam, aber das Gefühl hatte ich auch. Gestern, als wir uns unterhalten haben.«
    Er sagte nichts. Elsa hatte sich noch immer nicht an die langen Momente des Schweigens gewöhnt, die er wie selbstverständlich zwischen ihnen aufklaffen ließ. Aber wahrscheinlich sollte sie sich darüber nicht wundern: Schließlich trug er das Wetter in sich und das Wetter war wohl kaum für seine Geschwätzigkeit bekannt. Es dauerte eine Minute, bis er wieder etwas sagte.
    »Möchtest du dir lieber einen Papiervogel aussuchen? Nimm dir ruhig so viele wie du willst.«
    Sie begann, die Vögel auf dem Tisch durchzusehen, untersuchte jeden einzelnen mit der Sorgfalt eines Auktionärs. »Wie schaffst du es, dass sie so echt aussehen?«, fragte sie, als sie einen gefunden hatte, der ihr am besten gefiel: eine Gans mit weit ausgebreiteten Flügeln und einem so geraden Hals wie mit dem Lineal gezogen.
    »Ich weiß nicht so richtig.«
    Elsa lachte. »Das ist aber keine besonders gute Antwort.«
    Er warf einen Blick aus dem Fenster, als könnte er dort die richtigen Worte finden. Auf dem Sims darunter stand eine Tonvase mit einem bunten Strauß Wildblumen, dazwischen ein einzelnes, wunderschönes Exemplar, dessen getupfte Blütenblätter eine gelbe Kugel formten und sie wie einen winzigen goldenen Erdball wirken ließen. Während er überlegte, berührte er die Blüte ganz leicht, und Elsa wurde klar, dass das die Art war, wie er seine Figuren faltete, mit einer sehr seltenen, sanften Präzision. »Okay, stell es dir so vor«, sagte er dann mit einem Schulterzucken. »Ich folge beim Falten einfach meinem Gefühl und außerdem weiß ich, dass es so etwas wie Fliegen eigentlich nicht gibt. Das hört sich vielleicht verrückt an, aber es stimmt. Eigentlich ist es eher eine Art von Schwimmen, nur eben in der Luft.«
    Elsa lächelte. »Mein Dad hat immer gesagt, die Luft ist ein riesiger Ozean.«
    »Ja, genau! Ein Ozean, mit Strömungen und Gezeiten. Und Menschen sind wie … wie die Krebse und Würmer auf dem Meeresgrund.«
    »Ist ja sehr schmeichelhaft.«
    »Ich meine nur, dass die Menschen eben auf dem Grund festsitzen. Aber für andere Geschöpfe sind diese Strömungen und Gezeiten Dinge, die sie erklimmen können wie Menschen einen Baum oder einen Berg. Wenn man einmal verstanden hat, wie das funktioniert, kann man jeden Vogel nachfalten. Ich habe schon jede Menge hier oben in den Bergen auf den Luftströmen dahingleiten sehen. Um ein paar davon kümmere ich mich sogar.«
    »Du hältst dir Vögel? Hier?«
    »Nein, weiter oben auf dem Berg.«
    Sie setzte die

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