Der Mann, der den Regen träumt
eine Hundeschnauze zu ertasten, so als wäre Mole sein Spiegelbild.
Umso mehr hatte es ihn überrascht, dass Betty und Mole vom ersten Augenblick an vollkommen ineinander vernarrt gewesen waren. Betty tobte mit der Hündin durch den Garten und Mole sprang begeistert um sie herum, die beiden ein einziges sich wälzendes Knäuel aus Hecheln und Lachen, während Daniel ihnen nur mit offenem Mund zusehen konnte.
Und nun hockte er hier auf Händen und Knien und schob Mole eine Schale voll Haferschleim vor die ergraute Schnauze, während er sich fragte, ob nun der Tag gekommen war, da er seine Schaufel nehmen und sie in die Erde des Tierfriedhofs der Familie Fossiter würde stoßen müssen.
»Mole«, flüsterte er und stupste die Schale noch ein Stück weiter auf sie zu. »Mole, hörst du mich irgendwo da drin?«
Ihr blindes Auge erwiderte leer seinen Blick. Dieses Auge hatte sich noch nie geschlossen, wie eine seltsame Prophezeiung des Moments, in dem das andere zu seinem starren Ebenbild werden würde.
Sie öffnete ihr gesundes Auge und er atmete erleichtert auf. »Mole!« Er wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht.
Mole kam unsicher auf die Beine und schnüffelte kurz an dem Haferschleim, bevor sie ihre Schnauze in die Schale steckte und zu fressen begann.
»Mole«, rief Daniel, »meine gute, alte Mole!«
Jemand räusperte sich.
Daniel, noch immer auf den Knien, fuhr herum.
Ein Mann mit Mantel und Regenhut stand in der Tür und blickte herablassend auf Daniel herunter. Er hatte einen schwabbligen rosa Hals, den er in einen engen Kragen gezwängt hatte. Auf ähnliche Weise teilte sein Gürtel seinen Bauch in zwei Wölbungen, eine ober- und eine unterhalb des Hosenbunds. Er nahm den Hut ab und strich sich sein spärliches Haar zurecht, das er sorgsam über seine Glatze gekämmt trug.
»Wie ich sehe, Mr Fossiter, sind Sie gerade sehr damit beschäftigt, das Wetter in Schach zu halten.«
»Mr Moses«, erwiderte Daniel unwirsch und stand verlegen auf, während Mole hinter ihm weiter schmatzte. Sidney Moses schien in letzter Zeit jeden seiner Schritte zu verfolgen.
»Die Tür war offen, da bin ich reingekommen.«
»Das sehe ich. Und was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?«
Sidney legte den Kopf schräg, sodass seine Wange auf der einen Seite bis auf den Kragen hinunterwabbelte. »Die Stadt, Mr Fossiter. Diese Ehre verschafft Ihnen die Stadt. Genauso wie übrigens Ihre Arbeit, der Sie ja, wie ich sehe, gerade mit Hingabe nachgehen.« Er lächelte sarkastisch und warf einen Blick auf Mole, die ihr Mahl mit einem kleinen Rülpser beendet hatte und sich zu einer Kugel zusammenrollte.
»Und wie ich außerdem sehe«, fuhr Sidney fort, »nutzen Sie auch die besten, leistungsfähigsten Jagdhunde, die ein Mann Ihrer Profession nur finden kann. Ich bin sicher, die Ziegen in den Bergen würden sich lieber in den Abgrund stürzen, als es mit einer derartigen Bestie aufzunehmen.«
Daniels Nasenlöcher blähten sich. »Was wollen Sie, Mr Moses? Ich glaube, es wäre in unser beider Sinn, wenn wir es kurz machen.«
Sidney hob die Hände. »Aber, aber, Mr Fossiter, Sie wissen doch, dass ich nur scherze. Aber wenn Sie möchten, komme ich gern gleich auf den Punkt. Ich hatte Anfang dieser Woche Ihren Bericht erwartet.«
Daniel warf einen finsteren Blick in den Flur, wo seine auf Porträts gebannten Vorväter ihr Missfallen ausdrückten. Er überlegte, ob ihr Stirnrunzeln wohl eher seinem Gast oder ihm selbst galt, denn keiner dieser Männer hätte sich von einem Bürokraten wie Sidney Moses unter Druck setzen lassen.
Thunderstown war voller Wichtigtuer, aber Sidney übertraf sie alle. Vor Kurzem hatte er einen hochrangigen Posten in der Stadtverwaltung ergattert, was seiner Gewohnheit, sich überall einzumischen, zu Daniels großem Verdruss nun auch noch einen offiziellen Anstrich verlieh. Daniel brachte ihm etwa so viel Sympathie entgegen wie einem aufdringlichen Moskito, doch Sidney hatte bereits bewiesen, dass er in der Lage war, Daniel die Geldmittel zu kürzen, und sogar damit gedroht, sie ihm ganz zu streichen.
Daniel starrte auf seine Stiefel und murmelte: »Den Bericht habe ich ganz vergessen.«
Sidney seufzte. »Dieses Problem müssen wir entweder in den Griff kriegen oder zwischen uns wird es bald ziemlich ungemütlich. Es ist ja wohl kaum zu viel verlangt, dass ein Mann, dessen komplettes Gehalt die Stadt zahlt, einen wöchentlichen Bericht über die Ergebnisse seiner Arbeit einreicht.«
»Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher