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Der Mann, der den Zügen nachsah

Der Mann, der den Zügen nachsah

Titel: Der Mann, der den Zügen nachsah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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drückte sein Gesicht an die Scheiben der Abteile, hinter denen andere Reisende schliefen.
      Ins Moulin Rouge oder anderswohin… Wenn er Moulin Rouge gesagt hatte, so deshalb, weil er darüber so viel gelesen hatte.
    Er sah sich schon in einem üppig mit Spiegeln dekorierten Saal mit Polsterbänken aus rotem Samt, einen Sektkühler auf dem Tisch und schöne Frauen mit Decolleté an seiner Seite… Er selbst würde ganz gelassen bleiben! Der Champagner würde bei ihm ebenso wenig wirken wie der Genever oder der Cognac. Und er würde sich einen bösen Spaß daraus machen, hochgestochene Sätze von sich zu geben, die seine Tischdamen nicht verstünden.
      Und plötzlich, fast übergangslos, die Gare du Nord, die zugige Halle, die Ausgänge, ein wartendes Taxi.
    »Zum Moulin Rouge!« sagte er lässig.
    »Haben Sie kein Gepäck?«
      Das Moulin Rouge hatte geschlossen, aber das Taxi hielt vor einem anderen Nachtklub, wo ein Portier sich eifrig um Popinga bemühte. Niemand hätte sagen können, daß er zum ersten Mal in seinem Leben einen solchen Ort betrat. Er zeigte keinerlei Hast. Er sah sich in aller Ruhe um und wählte seinen Tisch, ohne von dem Maître d’hôtel Notiz zu nehmen.
    »Bringen Sie mir bitte Champagner und eine Zigarre!«
      So! Da war er! Die Dinge waren gelaufen wie er es vorherbestimmt hatte, und er fand es ganz natürlich, daß eine Frau in einem grünen Kleid neben ihm Platz nahm und leise sagte:
    »Sie gestatten doch?«
    Er erwiderte:
    »Ich bitte darum!«
    »Sie sind Ausländer?«
      »Ich bin Holländer. Aber ich spreche vier Sprachen: meine eigene, Französisch, Englisch und Deutsch.«
      Das war ein fabelhafter Auftakt! Und das Tollste dabei war wieder einmal, daß sich alles bis ins Kleinste so entwickelte, wie er es vorhergesehen hatte.
    Man mußte glauben, daß er diesen Nachtklub mit seinen roten Samtbänken schon kannte, die Jazzkapelle, deren blonder Saxophonist gewiß aus dem Norden war, vielleicht Holländer wie er selbst, und diese Rothaarige, die ihre Ellbogen auf den Tisch stützte und eine Zigarette verlangte.
    »Garςon!« rief er. »Zigaretten.«
      Wenig später nahm er sein Notizbuch aus der Tasche und fragte seine Tischgenossin:
    »Wie heißen Sie?«
    »Ich?… Wollen Sie sich meinen Namen aufschrei
    ben?… Komische Idee!… Aber, wenn’s Ihnen Spaß macht… Jeanne Rozier. A propos! Wissen Sie, daß jetzt hier zugemacht wird?«
    »Das ist mir egal.«
    »Was wollen Sie denn machen?«
    »Mit zu Ihnen gehen.«
      »Zu mir, nein, das geht nicht… Ins Hotel, wenn Sie wollen…«
    »In Ordnung!«
    »Sag mal, du scheinst mir ganz patent zu sein, du!«
      Er lächelte etwas verkrampft. Komisch, er hätte nicht sagen können, wieso.
    »Kommst du öfter nach Paris?«
      »Es ist das zweite Mal in meinem Leben. Das erste Mal war es auf meiner Hochzeitsreise.«
    »Und auch diesmal mit deiner Frau?«
    »Nein! Ich habe sie zu Hause gelassen.«
      Er war nahe dran, laut loszulachen. Er rief den Maître d’hôtel und bestellte nochmal Champagner.
    »Du hast wohl eine Vorliebe für kleine Mädchen, wie?«
    Diesmal lachte er wirklich und erklärte:
    »Nicht für kleine!«
      Das konnte sie nicht verstehen. Aber Pamela war doch nicht klein. Sie war ebenso groß wie er. Auch Eleonore de Coster war einssiebzig groß.
      »Wenigstens bist du guter Laune. Bist du in Geschäften hier?«
    »Ich weiß noch nicht.«
    »Was willst du damit sagen?«
      »Nichts… Sie haben Sommersprossen… Das ist lustig…«
      Doch am meisten belustigte es ihn, daß seine Tischgenossin verstohlen zu ihm hinsah und sich vergeblich bemühte, ihn zu ergründen. Sie hatte Sommersprossen unter den Augen, das war nicht zu leugnen, und Haare von einem schönen roten Ton, eine blasse Haut und einen ausgeprägten Mund. Er kannte nur eine einzige Rothaarige, die Frau eines seiner Schachfreunde, eine große Magere, die schielte und fünf Kinder hatte.
    »Warum siehst du mich so an?«
      »Nur so… Ich finde es großartig, hier zu sein. Ich denke an den Kopf von Pamela…«
    »Wer ist das?«
    »Unwichtig! Du kennst sie nicht.«
      »Du solltest bezahlen, damit wir gehen können… Alle warten schon darauf, ins Bett zu kommen.«
    »Garςon! Wechseln Sie mir bitte Gulden ein.«
      Er zog seine fünfhundert Gulden aus der Tasche und reichte das ganze Bündel dem Maître d’hôtel, wobei er zerstreut dreinblickte.
    Dennoch fühlte er sich müde. Es gab Augenblicke, da
    hatte er ein

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