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Der Mann, der den Zügen nachsah

Der Mann, der den Zügen nachsah

Titel: Der Mann, der den Zügen nachsah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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der gleichen selbstzufriedenen Ruhe erfreut wie jetzt in dem Eisenbahnabteil, während er an die Leute in Groningen dachte und was für einen Streich er ihnen durch sein Verschwinden gespielt hatte.
      Was aber die Dame in Trauer nicht hindern würde, zwei Tage später zu erklären:
      »Er hatte etwas Gehetztes in seinem Blick; zweimal überkam es ihn, daß er in sich hinein lachte.«
      Nicht lachte, sondern lächelte! Das erste Mal wegen der Geschichte mit Copenghem; das zweite Mal wegen der Ochsenschwanzsuppe.
      Das war noch nicht lange her. Es war im vergangenen Jahr, als Jef Van Duren zum Professor in der medizinischen Fakultät ernannt worden war. Van Duren, seit langem sein Freund, hatte zu einem großen Diner eingeladen. Während der Aperitif gereicht wurde, hatte Kees sich in die Küche gestohlen, wo er mit Maria, dem Dienstmädchen, zu tändeln pflegte, denn sie war aufreizend hübsch.
      Dann, als er sie zu küssen versuchte, hatte sie ihm erklärt:
      »Da Sie sich nicht ordentlich betragen können, komme ich erst zurück, wenn Sie nicht mehr da sind.«
      Damit war sie in den Keller hinunter gegangen, wo sie zu tun hatte.
      Die Demütigung war um so größer, als Maria sozusagen das einzige weibliche Wesen war, bei dem sich Kees kleine Freiheiten erlaubte, wobei ihm jedesmal das Blut zu Kopf stieg.
    Indessen war er ganz ruhig geblieben, erschreckend
    ruhig, und, wie damals den Läufer und das Bier, hatte er nun auf dem Herd einen Topf mit Ochsenschwanzsuppe entdeckt – eine Suppe, die es bei den Van Duren nur bei großen Gelegenheiten gab. Auf dem Wandbrett stand eine Reihe von Büchsen, davon zwei mit der Aufschrift »Salz«. Er hatte eine aufgemacht und eine ordentliche Portion des Inhalts in die Ochsenschwanzsuppe geschüttet; danach war er mit unschuldiger Miene in den Salon zurückgekehrt.
      Die Wirkung war sehr viel komischer, als er sich gedacht hatte. Die mit »Salz« beschriftete Büchse enthielt, weiß der Himmel wieso, Puderzucker, und minutenlang sah man rund um den Tisch nur verdutzte Gesichter und gerunzelte Augenbrauen, Leute, denen es auch nach einem zweiten Löffel von der Suppe nicht gelang, sich ein Urteil zu bilden.
      Eine ebensolche Ruhe legte er auch jetzt an den Tag. Um sechs Uhr setzte ihn der Zug in Staveren ab, ohne daß er Gelegenheit hatte, etwas zu trinken, denn er war schon lange durstig. Er hatte in Staveren gerade noch Zeit, an Bord des Schiffes zu gehen, das die Überfahrt über die Zuidersee machte; zum Glück konnte man sich auf diesem Schiff etwas zu trinken bestellen.
      »Zwei Glas Genever«, sagte er zum Steward, als sei das die natürlichste Sache der Welt.
      Er sagte »zwei«, denn er wußte, daß er zwei trinken würde, und es schien ihm unnütz, den Steward zweimal den Weg über das ganze Schiff machen zu lassen. Am Abend zuvor, im Kleinen Sankt Georg, hatte Julius de Coster mit gutem Grund verlangt, daß die Flasche auf dem Tisch bliebe, und der Wirt hatte das ganz normal gefunden.
    Warum also würde der Steward späterhin erklären:
      »Er machte den Eindruck eines Verrückten und hat bei mir zwei Glas Genever auf einmal bestellt.«
      Nach vierzig Minuten Überfahrt nahm er in Enkhuizen den Zug nach Amsterdam, wo er ein paar Minuten nach acht ankam. Auf diesem letzten Stück saß er mit zwei Viehhändlern im Abteil, die über ihre Geschäfte sprachen, wobei sie ihm mißtrauische Blicke zuwarfen, als argwöhnten sie in ihm einen möglichen Konkurrenten.
      Aber kein Mensch, nicht einmal er selbst, ahnte etwas von der fürchterlichen Berühmtheit, zu der er es binnen weniger Stunden bringen würde. Er war wie gewöhnlich ganz in Grau gekleidet. Er hatte ganz mechanisch seine lederne Aktentasche mitgenommen, mit der er immer ins Büro ging.
      In Amsterdam zögerte er keinen Augenblick, sich zum Hotel Carlton zu begeben, ebenso selbstverständlich wie er den Läufer in sein Bier oder den Puderzucker in die Ochsenschwanzsuppe getan hatte.
    »Zu Mademoiselle Pamela, ist sie zu Hause?«
      Nichts, aber auch gar nichts, unterschied ihn von irgendeinem beliebigen Besucher, allenfalls seine eiserne Ruhe.
    »Wen darf ich melden?« fragte der livrierte Portier.
    »Julius de Coster.«
      Der Portier stutzte einen Augenblick, sah ihn scharf an und murmelte:
    »Pardon… Aber Sie sind nicht Herr de Coster.«
    »Was wissen Sie denn davon?«
      »Herr de Coster kommt jede Woche her, und ich kenne ihn.«
    »Und wer sagt Ihnen,

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